Der einsamste Ort der Welt, so wird die Osterinsel gern bezeichnet. Knapp 4‘000 Kilometer ist das Eiland inmitten des Pazifischen Ozeans vom südamerikanischen Festland entfernt. Im einzigen Ort der Insel leben 4'000 Rapa Nui. So nennen die Insulaner sich und ihre Sprache.
Im Dorf gibt es eine Radio- und Fernsehstation. Radio Manukena sendet täglich, drei Personen arbeiten für den Lokalsender. Das Studio wirkt improvisiert und schon etwas heruntergekommen. Seit 1967 ist Radio Manukena von 8 bis 22 Uhr auf Sendung. Moderiert wird auf Spanisch und Rapa Nui, erzählt Catalina Tuki. Sie ist die Chefin von Radio Manukena.
Moderatorin, Redakteurin und Cutterin in einer Person
Nachts wird ausschliesslich Musik gespielt, das Programm läuft dann vom Computer gesteuert. Die füllige Mittvierzigerin trägt ihr langes schwarzes Haar hochgesteckt. Catalina Tuki ist die Stimme der Osterinsel: Moderatorin, Redakteurin, Cutterin und « Seelenbriefkasten» in einer Person. Radiojournalistin zu werden, das ist bis heute ihr Traumberuf. Nachrichten und Veranstaltungshinweise liest sie mit energischer Stimme, Grussbotschaften schickt sie mit Temperament und Wärme in den Äther. Dazwischen läuft traditionelle polynesische Musik. Fröhlicher Ukulelen Sound.
Lokalradio in Lokalsprache
Auf der Osterinsel ist überall Radio Manukena zu hören. Im Auto, in der Bar, im Supermarkt, im Taucherzentrum, in der einzigen Bank der Insel, Zuhause: Radio Manukena ist das wichtigste Kommunikationsmittel auf der Osterinsel, eine Tageszeitung gibt es nicht. Alles was wichtig ist, erfahren die Menschen aus dem Hörfunk. Der Sender informiert über die Bürgermeisterwahlen und die nächste Kulturveranstaltung, über die Gezeiten und das Wetter.
Catalina Tuki ist sichtlich stolz, als sie erzählt, wie wichtig das Lokalradio für die Rapa Nui ist, wenn es um die eigene Sprache geht. Heute wird Rapa Nui als Pflichtfach in der einzigen Schule der Insel unterrichtet, obwohl Spanisch die offizielle Landessprache ist. Denn die Osterinsel gehört politisch zu Chile. Englisch sprechen nur wenige Einheimische.
Nachricht ist wichtiger als ihr Inhalt
«Bei uns kämpfen magisches und logisches Denken miteinander», sagt Christian Moreno Pakarati. Der erste Historiker der Osterinsel schaut gerade bei Radio Manukena vorbei. Die Rapa Nui hätten nur ein Wort für Begriffe wie Nachricht, Erzählung, Geschichte oder Fabel. Für die Rapa Nui sei die Nachricht wichtiger als ihr Inhalt. Aber das gelte vermutlich für viele Menschen, so Pakarati.
Mitten im Satz klingelt im Regieraum das Telefon. Ein junger Mann ist in der Leitung und erzählt, seine Mutter liege im Krankenhaus, heute habe sie Geburtstag. Er möchte Sie grüssen und ihr gratulieren. Catalina Tuki notiert alles, dann geht sie auf Sendung und bittet, die Patientin zu besuchen.
Und schon weiss jeder auf der Osterinsel, wo heute Abend eine Feier stattfinden wird. Nachbarschaftsradio.