Es ist das Jahr 1404, das Mittelalter geht gerade zu Ende und die Neuzeit beginnt. Seefahrer stechen in See und erkunden den Orient, neue Dörfer und Städte werden gebaut, es entstehen riesige, mächtige Reiche. Das Spiel «Anno 1404» ist ein typisches Strategiespiel. Wer es geschickt anstellt, sich die Ressourcen beschafft und das Volk zufrieden stellt, kann es weit bringen.
Doch die Bedürfnisse der Menschen in der virtuellen Welt bestehen nicht nur aus genügend Essen und Trinken, einem Dach über dem Kopf und Unterhaltung am Wochenende. Sie verlangen auch spirituelle Angebote. Kirchen sind zu bauen, am besten grosse Kathedralen im Okzident, Moscheen im Orient.
Oliver Steffen, Religionswissenschaftler an der Universität Bern, untersucht seit drei Jahren Computerspiele auf ihre religiösen Inhalte. Der Wissenschaftler, der in jungen Jahren selbst ein Spielfreak war, wie er selber sagt, hat hauptsächlich Spiele untersucht, die auch kommerziell relevant sind. Dazu gehört auch «Anno 1404» mit seiner grossen Fangemeinde.
Wie viel Spiritualität bleibt wirklich?
Doch reicht es aus, in der virtuellen Welt Kirchen und Moscheen zu bauen, um ein Spiel als religiös zu bezeichnen? Ist die Religion nicht ein reiner Unterhaltungswert, mit dem man Punkte sammeln kann, wie mit Strassenbau oder der cleveren Art Bündnisse zu schliessen?
Diese Art von Strategiespiele würde Oliver Steffen nicht als religiöse Spiele beschreiben. Auch die Spieler und Spielerinnen bezeichnen sich eher als atheistisch und in den Internetforen wird über Konstruktion einer Kirche diskutiert und nicht über private religiöse Vorstellungen. Trotzdem würde Spiritualität interessieren, und besonders viele Gamer fühlten sich von östlichen Bewegungen oder nordischen Kulten angesprochen.
Ähnlichkeit mit Sex
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Aktuelle Themen fliessen sehr schnell auch in Computerspiele ein. Der Religionswissenschaftler Oliver Steffen vergleicht Religion sogar mit Sex. Sex ziehe genauso wie religiöse Inhalte.
Mit dem eigenen Religionsbezug oder der Vermittlung von speziellen religiösen Inhalten haben die Strategie- und Ego-Shooter-Spiele meist aber wenig zu tun. Diese Absicht steckt in Lernspielen, die von einzelnen Religionsgemeinschaften produziert werden und auch im Religionsunterricht Verwendung finden.
Spirituelle Wellness
Wellness hat auch in Computerspielen Eingang gefunden. Die amerikanische Firma «Wild divine» hat eine Technologie entwickelt, bei der sich die Spielerin dank Anleitungen in einen speziellen spirituellen Zustand hineinbegeben kann. In einer animierten Welt, inspiriert mit östlicher Musik, einer lauschigen Gartenanlage und unter den Anweisungen virtueller Gurus, geht man Schritt für Schritt tiefer in die Spielwelt hinein.
Um den eigenen Gefühlszustand messen zu können, ist der Spieler an sogenannten Biofeedbacksensoren angeschlossen. An drei Fingern werden Klammern befestigt, über die der Zustand des Körpers gemessen wird. Erfüllt man die Vorgaben, kann man in das nächsthöhere Level aufsteigen.
Religion, Spiritualität und Glauben sind im Trend und lassen auch die Kassen der Spielentwickler klingeln, denn billig sind viele dieser Spiele nicht.