«Der Troll-freie Online-Shooter» titelt das Magazin « Wired » über das neue Game «Overwatch». Das Game habe ein Umfeld geschaffen, in dem sich die Gamer nicht gegenseitig beschimpfen und belästigen. Und das, obwohl es in dem Spiel in erster Linie darum geht, den Gegner über den Haufen zu schiessen. Was ist denn anders an «Overwatch»?
«Shooter-Games sehen immer gleich aus: Ein grau-grün gekleideter Actionheld kämpft sich durch ein Kriegsszenario», sagt Digital-Redaktor Guido Berger. «‹Overwatch› hingegen ist farbenfroh und comichaft, und man kann ganz andere Figuren spielen.» Der Spieler kann aus 21 verschiedenen, schrillen Heldenfiguren auswählen. Die Spieler bilden Teams, mit denen sie dann online andere Teams bekämpfen. Ein bisschen stilisiert dargestelltes Blut ist zu sehen, «Overwatch» ist ab 12 Jahren freigegeben.
Kämpfen mit Anstand
Dass die Schiessereien in einem so bonbonbunten und fröhlichen Umfeld stattfinden, ist für «Wired» der Grund dafür, dass die Spieler höchst anständig miteinander umgehen. Stimmt das? Guido Berger hat «Overwatch» gespielt und sagt: «Derzeit ist der Umgangston tatsächlich sehr fröhlich. Aber das wird sich noch ändern.» Aktuell gibt es noch keine Ranglisten für die Spieler, das wird aber folgen. Dann wird wahrscheinlich auch der Umgangston härter: «Je kompetitiver ein Spiel ist, desto eher tickt auch ein Spieler mal aus», sagt Berger.
Auch der Videospiel-Experte Marc Bodmer sieht den Wettstreit als wichtigen Faktor für den Umgangston: «Videogames sind ein hoch kompetitives Umfeld. Es gibt Stress-Situationen, da kann der Ton auch mal ruppiger werden.» Das gibt es aber nicht nur bei Shooter-Games, sondern zum Beispiel auch auf dem Fussballplatz.
Schimpfen wie auf dem Pausenplatz
Trotzdem hält Bodmer es für möglich, dass bei «Overwatch» der Umgang gesitteter ist: «Weil das Spiel ab 12 ist, spricht es ein anderes Publikum an.» Also nicht nur die älteren Hardcore-Gamer. Aber auch jüngere Spieler könnten ganz schön austeilen, sagt Bodmer. Da klinge es dann halt so wie auf dem Pausenplatz.
Denn auch der Umstand, dass in Teams gespielt wird, hat einen Einfluss. «Auch in Teams gibt es manchmal einen harten Umgang», sagt Guido Berger. Wer einen Fehler macht, muss sich von den Teamkammeraden manchmal einiges anhören. Viele Gamer kennen ihre Mitspieler jedoch persönlich. Wenn man sich aber am nächsten Tag wieder in der Schule sieht, teilt man etwas weniger heftig aus. «Hart, aber herzlich» nennt Bodmer diesen Umgangston.
Zu einem freundlicheren Umgangston könnte auch beitragen, dass im Anschluss an an eine Partie die Mitspieler bewertet werden können. «Wenn ich weiss, dass nach der Mission ein Rating erfolgt, verhalte ich mich auch anders, als wenn es nahtlos zum nächsten Scharmützel übergeht», sagt Bodmer.
Realismus ist nicht oberstes Gebot
Die auffallendste Eigenschaft von «Overwatch» sind das bunte und fröhliche Erscheinungsbild und die originellen Figuren. Zu glauben, die Spieler würden sich nun verbal um den Hals fallen, während sie sich virtuell die Köpfe einschlagen, wäre sicherlich vermessen. Dass die fröhlichere Umgebung einen Einfluss auf den Umgangston hat, ist aber denkbar. «Die Ästhetik spielt sicher eine Rolle», sagt Bodmer.
Die bunte Optik von «Overwatch» ist bei Shootern eine Seltenheit. Dennoch gibt es Spieler, die vom harten Realismus, den die meisten Shooter-Spiele zeigen, genug haben: «Es gibt Shooter-Games, die reale Kriegsszenarien nachbilden. Aber diesen Realismus wollen viele Spieler gar nicht. Sie wollen Spass in einem kompetitiven Umfeld, in dem sie ihre Geschicklichkeit zeigen können». Auch in «Overwatch» ist es möglich, dass einzelne Spieler mit übertrieben hartem Umgang diesen Spass vermiesen. Aber selbst dann hat «Overwatch» immerhin eines erreicht: Es ist ein erfrischender Farbtupfer in der grau-grünen Shooter-Landschaft.
Sendung: Radio SRF 3, Gametipp, 8.6.2016, 14.45 Uhr