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Eine alte Aufnahme eines Paars im Winter. Die Frau trägt einen Holzschlitten auf dem Rücken.
Legende: Hatte schon immer einen Spassfaktor: Das Schlitteln. Colourbox

Gesellschaft & Religion Schlitteln: das kalte Glück auf Kufen

Der Schlitten ist ein uraltes Gefährt. Wahrscheinlich wurde er noch vor dem Wagen erfunden. Und er hat viele Einsatzbereiche: Als Arbeitsgerät, Transportmittel, Kinderspielzeug oder Sportgerät – und bisweilen auch als Vehikel zur amourösen Kontaktaufnahme.

Wahrscheinlich wurden die Menschen durch die Tiere zum Schlitteln inspiriert: Fischotter gleiten zum Beispiel auf ihren Bäuchen verschneite Abhänge hinunter. Das spart Energie – und scheint den possierlichen Tieren grossen Spass zu machen.

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Wann genau der ersten Schlitten gebaut wurde, ist unbekannt. Seine Erfindung geht jedoch mehrere tausend Jahre zurück. Aus dieser Zeit kenne man zumindest Felsgravuren, die Schlitten zeigten, erklärt der Archäologe und Kulturhistoriker Andres Furger. Er hat mehrere wissenschaftliche Werke über historische Schlitten und Kutschen verfasst.

Schienbeine und Unterkiefer

Archäologische Funde von Schlitten hingegen gibt es fast keine. Das hat einen simplen Grund: Schlitten waren aus Holz gebaut – einem organischen Material, das im Boden ganz zerfällt. Eine Ausnahme gibt es jedoch: Manche Schlitten waren aus Knochen gebaut – noch bis vor nicht allzu langer Zeit. «Man hat kleine Kinderschlitten noch bis ins 19. Jahrhundert beispielsweise im Engadin benützt, da bestehen die Kufen aus Schienbeinen von Rindern oder Pferden. Diese befestigte man unter dem Holzgestell. Oder man verwendete sogar Rinderunterkiefer, 20 oder 30 Zentimeter lang, und montierte ein Sitzbrett auf die Zähne», erzählt Andres Furger.

Auch wenn der Schlitten zuallererst ein Arbeitsgerät für Jäger und Sammler, Holzfäller und Bauern war, hatte das Schlitteln immer auch einen Spassfaktor. «Die Hornschlitten in Graubünden wurden zum Heutransport, für Holz usw. verwendet. Aber man ist damit auch mal in der Freizeit eine Strasse runtergedonnert – das habe ich noch als Kind erlebt. Das war nicht ganz einfach, denn das Bremsen dieser schweren Schlitten mit den Füssen geht schwer», erinnert sich Furger.

Prunk- und lustvoll

Ob Arbeit oder Vergnügen: Schlitten sind Kulturgut. Seit der Renaissance kennt man prunkvolle, kunstvolle Pferdeschlitten. Zu diesen gehört oft auch ein prächtiges Glockengeläut. Noch bis ins frühe 20. Jahrhundert gab es vielerorts auch die Tradition von nächtlichen Schlittenfahrten in Gesellschaft. Zum Beispiel zur Fasnachtszeit. Das waren oft Lustbarkeiten im doppelten Sinne. Andres Furger erinnert sich, wie ihm eine ältere Dame davon berichtet hat: «Sie sagte mir: Wissen sie Herr Doktor, bei diesen nächtlichen Schlittenfahrten hat schon mal die eine Hand zur anderen Hand gefunden unter der warmen Pelzdecke.»

Schleifen, ziehen, rütteln

Der Schlitten konnte und kann also vieles sein: Arbeitsgerät, Transportmittel, Kinderspielzeug, in jüngerer Zeit Sportgerät – und bisweilen auch Vehikel zur amourösen Kontaktaufnahme. Bleibt noch die Frage der Wortherkunft: Warum heisst der Schlitten Schlitten? «Es ist ein germanisches Wort, verwandt mit schleifen, ziehen. Und rodeln geht in eine ähnliche Richtung: Das kommt von rütteln», erklärt Furger. Denn egal, welche Konstruktion von Schlitten im Laufe der Jahrtausende gebräuchlich war: Durchgeschüttelt wird man beim Schlittenfahren immer.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 29.12.14, 7:15 Uhr.

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