Zum Inhalt springen

Gesellschaft & Religion Schwarzes Gold aus der Südsee

In der Natur produziert nur eine von 15'000 Austern eine Perle. Es grenzt daher fast an Zufall, eine solch seltene Kostbarkeit zu finden. Ausser man hilft der Natur auf die Sprünge: Perlenzüchter in der Südsee kennen die Tricks, wie ein kleines Stück Mais zur kostbaren – und lukrativen – Perle wird.

Als «Perle der Südsee» wird Französisch-Polynesien gern bezeichnet. Der Reichtum der 118 Inseln sind traumhafte Strände, kristallklares Lagunenwasser, freundliche Menschen – und Perlen. Schwarze Perlen, die als Souvenirs bei den Touristen aus aller Welt begehrt sind. Auf Fakarava, 450 Kilometer nordöstlich von Tahiti, werden diese Besonderheiten gezüchtet.

Auf dem langgestreckten Atoll leben 800 Menschen. Entdeckt wurde es 1820 und anschliessend christianisiert. Heute gilt Fakarava als Geheimtipp unter Tauchern, die Unesco hat dem Atoll den Status eines Biosphärenreservats zugesprochen. Es gibt ein altes Dorf, eine Hauptstrasse und einen kleinen Flugplatz. Heute leben die Bewohner von den Touristen und dem «schwarzen Gold», das zur Haupteinnahmequelle geworden ist.

Eine Million Franken für eine Perle

Günter Hellberg mit seiner Frau
Legende: Günter Hellberg mit seiner Frau Michael Marek

Günter Hellberg ist Perlenzüchter. Vor über 30 Jahren ging der gelernte Architekt aus Süddeutschland auf Weltreise, verliebte sich auf der Insel und blieb für immer. Heute ist Hellberg Experte für schwarze Perlen.

Die Kostbarkeiten reifen in der Schwarzlippenauster oder «Pinctada margaritifera», wie Hellberg erklärt: «Je grösser die Perle, desto teurer wird sie.» Über eine Million Schweizer Franken kann ein solch edles Exemplar kosten.

Viel Fingerspitzengefühl benötigt

Am mühsamsten ist die Perlenzucht in den ersten 18 Monaten: Dann baumeln die Austern an Seilen im reinen, klaren Lagunenwasser und werden täglich kontrolliert. Wenn die Muscheln ausgewachsen sind, beginnt der komplizierteste Teil der Zucht: Das gewaltsame Aufstemmen der Auster mit einem scharfen Messerchen, das Aufschneiden der Lippen, das Einführen einer kleinen Kugel aus Mais in den Perlensack, um den herum sich das Perlmuttsekret bildet und verfestigt.

Früher wurden dafür ausschliesslich Spezialisten aus Asien beschäftigt, vor allem Japaner und Chinesen. Heute sind auch Polynesier mit dieser Tätigkeit vertraut. Es gibt sogar eine eigene Schule dafür in Französisch-Polynesien.

Die Spannung beim Öffnen

Für die Produktion einer einzigen Perle von etwa acht Millimeter Durchmesser benötigt die Auster drei Jahre. In dieser Zeit wird sie ständig gehegt und gepflegt. Ein aufwendiger Prozess, da die Austern per Hand aus den Gewässern des Atolls geholt, einzeln abgespült und kontrolliert werden. Umgeben von Plastiknetzen, um sie vor Drückerfischen zu schützen, die mit ihren starken Zähnen sogar die harten Austern öffnen können und dann über das Muschelfleisch herfallen.

Für ihn sei es jedes Mal ein spannender Moment, eine Auster zu öffnen, sagt Günter Hellberg. Trotz aller Mühen und Sorgfalt kann kein Perlenzüchter vorhersagen, was ihn erwartet. Hat er Pech und die Muschel ist leer, dann war alles vergebens. Hat er Glück, so der Mittsechziger, dann berge die Muschel eine schwarze Kostbarkeit. Es ist ein Glücksspiel, mitunter aber ein lukratives.

Die perfekte Perle ist nicht planbar

Die Perlen können in ihrer Farbpalette von Hellgrau bis Tiefschwarz variieren. Ebenso unterschiedlich wie die Farben sind auch die Formen. Für viele Käufer sei eine exakt runde Form das ausschlaggebende Qualitätsmerkmal, erklärt Hellberg. Für ihn aber machen gerade die Abweichungen und individuellen Formen das Einzigartige einer Perle aus. Eine perfekte runde Perle zu bekommen, sei «mathematisch-physikalisch nicht planbar. Das ist die Natur.»

Für die Entstehung einer guten Perle, sagt Hellberg, gebe es eine Reihe von Faktoren: die Wassertiefe und -temperatur, die Lichtverhältnisse und die Sauberkeit des Wassers. Ausserdem unterscheiden sich je nach Atoll in Französisch-Polynesien Farben, Glanz und Reflektion der Perlmuttschicht.

Perlen als Exportgut

Etwa 14 Tonnen schwarze Zuchtperlen wurden 2012 aus Französisch-Polynesien in alle Welt exportiert, vor allem aber nach Asien. Es gibt mehrere 100 Produzenten – allein die Hälfte der Produktion entfällt auf den chinesisch stämmigen Tahitianer Robert Wan, der in den 1970er-Jahren mit der Perlenzucht begonnen hatte.

Für Günter Hellberg haben die schwarzen Perlen bis heute nichts von ihrer Faszination verloren – ein Souvenir für die Ewigkeit. «Ich bin kein Liebhaber von Diamanten, aber eine gute schwarze Perle ist etwas Fantastisches. Und wenn Sie das dann auch selber produzieren, dann ist das eine Genugtuung!»

Die grösste schwarze Zuchtperle der Welt wurde 1996 geerntet. Heute liegt sie in einer Vitrine des Perlenmuseums in Papeete, der Hauptstadt von Tahiti. Durchmesser: 22,5 mm. Gewicht: 16,5 Gramm. Makellos rund und blank, dass man sich darin spiegeln kann. Ihren Wert kenne niemand ganz genau, sagt Hellberg und lächelt verschmitzt.

Meistgelesene Artikel