Sie gehören zum niederländischen Nikolaus-Fest wie Schokoladenhasen zu Ostern: Die «Zwarte Pieten», die Schmutzlis. Aber immer mehr Einwanderer aus den ehemaligen Kolonien möchten den alten Brauch mit den schwarz bemalten Knechten abschaffen. Das sorgt für Zündstoff bei den Traditionialisten.
Seit Mitte November wimmelt es in den Niederlanden von Zwarte Pieten. Die schwarz bemalten Gestalten im Pagenkleid hüpfen jeweils im Schlepptau eines «Sinterklaas», dem Samichlaus, fröhlich herum und verteilen Süssigkeiten.
Auf dem Amsterdamer Dappermarkt sucht man sie vergebens. Was weiter nicht erstaunlich ist, denn er wird zur Hauptsache von Immigranten aus den ehemaligen Kolonien Surinam oder den Antilleninseln frequentiert. Diese Menschen sehen Nikolaus und seine Helfer in erster Linie als Überbleibsel der Sklaverei.
Wulstlippen und Kraushaarperücke
Sie habe die Sinterklaas-Zeit schon als Kind gehasst, weil auf der Strasse alt und jung mit dem Finger auf sie gezeigt und gerufen habe: «Guck mal, da ist Zwarte Piet.» Sie habe zwar eine dunkle Hautfarbe, aber deswegen sei sie doch kein Knecht, sagt eine 53-jähriger Lehrerin, die einen rot-grün-gelben Schal mit den Farben der surinamischen Flagge trägt.
Ihre Empörung ist bis heute zu spüren. Alles an dieser lächerlichen Piet-Figur erinnere an das Unrecht, das ihren versklavten Vorfahren angetan worden sei. Von den roten Wulstlippen über die Kraushaarperücke bis zum Schleckzeug. Sie begreife nicht, dass dieser alte Zopf, der ins 19. Jahrhundert zurückgeht, nicht endlich abgeschnitten werde.
Ihre Meinung wird in der grossen niederländisch-surinamischen Gemeinschaft mehrheitlich geteilt. Aber die jüngere Generation urteilt milder. Es gebe keinen Anlass, stolz auf das düstere Kapitel der Sklaverei zu sein, sagt der 20-Jährige Jamani. Aber wer vorausblicken wolle, müsse die Geschichte hinter sich lassen. Seine Nichten und Neffen hätten dazu ähnliche Gedanken – aber sein Vater sei mit dieser Haltung ganz und gar nicht einverstanden.
«Das ist totaler Blödsinn»
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Wer sich auf dem Dappermarkt umhört, bekommt das Gefühl, dass sich der Konflikt hauptsächlich zwischen den älteren Generationen abspielt. Ein autochthoner, «weisser» niederländischer Gemüsehändler kann über die Zwarte-Piet-Debatte nur den Kopf schütteln: «Das ist totaler Blödsinn.» Und ein ebenfalls nicht mehr junger Taxichauffeur pflichtet ihm bei: «Es ist ein Kinderfest und muss so bleiben.» Beides sind moderate Voten, wenn man mit den sozialen Netzwerken vergleicht: Dort werden Gegner der Sinterklaas-Tradition auch schon mal mit dem Tod bedroht.
Auch jüngere Eltern ohne Migrationshintergrund können sich gut vorstellen, dass der Zwarte Piet dereinst nicht mehr schwarz sein wird. Wenn sich so viele Menschen durch diese uralte Figur diskriminiert fühlten und sie dieses Fest, das in den Niederlanden wichtiger ist als Weihnachten, deswegen nicht unbeschwert feiern könnten, müsse etwas daran verändert werden, findet eine 40-Jährige Mutter zweier kleiner Kinder.
Tatsächlich konnte man dieses Jahr hinter den Deichen rote, blaue, gelbe und andere bunte Pieten ausmachen. Zwar nur vereinzelt, aber immerhin: Es ist ein zaghafter Anfang.
So oder so werden Sinterklaas und seine Knechte am Freitagabend – einen Tag früher als in der Schweiz – den Kindern Geschenke bringen. Danach verzieht sich das Gefolge wieder mit dem Dampfschiff nach Spanien. Bis zum nächsten Jahr und der folgenden Debatte.