Eleganz findet sich manchmal dort, wo man sie am wenigsten vermutet. Etwa am Central, einem der meistfrequentierten Plätze der Stadt Zürich. Dort komme ich jeden Tag vorbei, wenn ich am Morgen zur Arbeit und abends wieder zurück nach Hause fahre.
Sechs Tram- und zwei Buslinien sowie unzählige Autos und Fussgänger passieren das Central täglich. Geregelt wird dieser Verkehrsfluss von jeweils fünf Verkehrspolizisten.
Stoppen und cool bleiben
Ich gehöre nicht zu der Sorte Menschen, die grundsätzlich Fan der Polizei sind. Aber diese «Polizeiassistenten», wie sie korrekt heissen, faszinieren mich: Eingepfercht im Verkehr, morgens und abends, stehen sie jeden Werktag da. Ohne ein Wort zu sagen, regeln sie den Verkehr.
Würde ein Ferrari mit 100 Stundenkilometer auf sie zurasen: Ich glaube, sie würden keinen Wank machen. Sie würden, wie immer, die rechte Hand, eingehüllt in einem weissen Handschuh, hochhalten und das Stoppzeichen geben. Ziemlich cool.
Da stehen sie noch immer
Zweimal am Tag fahre ich also an den Polizisten am Central vorbei. Unaufmerksame Autofahrer, fluchende Velokuriere und nervöse Fussgänger habe ich dort schon beobachtet. Dutzende Vorfälle, bei denen ich dachte: Es ist soweit, gleich werfen die Verkehrspolizisten den Bettel hin. Aber nichts da: Die Polizisten winken die hektischen Verkehrsteilnehmer stets unaufgeregt durch und lassen sich nicht beirren.
Augenmass statt Ampeln
Warum es diese eleganten Verkehrsregler mitten in der Stadt braucht, wird schnell klar: Der Verkehr mit Trams, Bussen, Autos und Velos ist am Central unübersichtlich. So unübersichtlich, dass man bis heute an einer technischen Lösung durch Ampeln tüftelt.
Nach einer vierjährigen Untersuchung kamen die Experten der Stadt Zürich zum Schluss: Alles bleibt Alten. Eben weil die Situation am Central tagtäglich so komplex ist, kann der Verkehrsfluss nur von Menschen geregelt werden. Die Technik ist schlicht überfordert.
Die geschmeidige, elegante Verkehrsregelung durch die Polizisten schlägt also den Rechner einer hochpotenten Verkehrszentrale. Diese Erkenntnis hat in heutigen Zeiten etwas Beruhigendes.
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Sommerserie: Eleganz
Sendung: Kultur kompakt, 26. Juli 2016, 7.20 Uhr