«Ihr seid nicht normal!» röhrt Schürzenjäger Kari in die Menge und das Publikum grölt den subversiven Text begeistert mit. Rebellisches kommt unter Punks, den selbsternannten Randständigen unserer Gesellschaft, immer gut an. Dass der selbstbewusste Kari wegen eines Chromosomenfehlers (Trisomie 21 – besser bekannt als Down-Syndrom) als geistig behindert gilt, macht die ganze Situation besonders interessant. Obwohl sich die Song-Texte konkret auf das Leben mit Trisomie 21 beziehen, besitzen sie immer etwas Universelles, das auch bei sogenannt «geistig Normalen» Anklang findet.
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Selbstkomponierte Songs und Texte
Geistiger Vater der finnischen Punk-Rock-Band «Pertti Kurikan Nimipäivät» (auf Deutsch: Pertti Kurikkas Namenstag) ist aber nicht der selbstbewusste Kari, sondern der introvertierte Pertti, der als Gitarrist auf der Bühne weniger auffällig in Erscheinung tritt. Dafür feilt der Feingeist im stillen Kämmerchen stundenlang an jedem Wort, bevor die Songs im Plenum eingeübt werden.
Geprobt wird meist zuhause bei Schlagzeuger Toni, dem jüngsten Band-Mitglied. Sehr zum Leidwesen von dessen Eltern, die den «Lärm» in den eigenen vier Wänden nur mit dickem Gehörschutz ertragen. Ihre Versuche, den längst erwachsenen Sohn zum Ausziehen zu motivieren, stossen beim fingerfertigen Filius auf taube Ohren. Er ziehe erst aus, wenn seine Mutter gestorben sei, verkündet er an einer denkwürdigen Stelle kurz und bestimmt.
Engagement für Anliegen Behinderter
Ganz klare Standpunkte vertritt auch Sami, der Bassist. Wenn er nicht gerade mit der Band auf Tour ist, setzt er sich politisch für die Anliegen geistig Behinderter ein. Auch in der rechtspopulistischen Zentrumspartei, mit welcher er offen sympathisiert, laufe diesbezüglich noch viel zu wenig: «Die meisten Politiker kümmern sich einen Scheiss um uns Behinderte».
Das rotzige Band-Porträt «Kovasikajuttu – The Punk Syndrome» schildert den Alltag von Sami, Toni, Pertti und Kari unverblümt. Direkter kann Kino kaum sein. «Wir liessen die Dinge geschehen und arrangierten so wenig wie möglich», beschreibt Filmemacher Jani-Petteri Passi den Ansatz, dem er und Co-Regisseur Jukka Kärkkainen konsequent gefolgt sind. Folglich sieht man die Musiker knutschen, rülpsen, lachen und streiten. Mal mit ungehobelten Rocker-Manieren auf dem Pissoir, mal kindisch-kichernd bei der Pediküre.
Das wirkt erfrischend anarchisch und ist dank sozialkritischer Untertöne dennoch nie banal. Schliesslich zeigt der Film ganz nebenbei, welch individuelle Sache die Definition von Normalität ist. «The Punk Syndrome» liefert knallharte Klänge mit alter Rebellen-Attitüde und neuem Inhalt. Das rockt.