Bis vor kurzem waren Expatriates kein Thema. Nun sind «die Expats» in aller Munde. Kulturelle Institutionen werben um sie als neue Kunden, Zeitungen drucken englische Beilagen und es gibt sogar eine Messe für Expats.
Vor zwei Jahren hat das Basler Beratungsunternehmen ECOS eine erste Studie über die rund 36'000 Expats veröffentlicht, die zu diesem Zeitpunkt in der Region Basel ansässig waren. «Wir haben eine neue Welt entdeckt», sagt Daniel Wiener, Geschäftsleiter von ECOS. Eine Welt aus Parallelgesellschaften, die in sich so gut organisiert sind, dass die Öffentlichkeit davon wenig mitbekommt.
Expats, ein Begriff im Wandel
Als «Expat» bezeichnet man jene Fachkraft, bei der die herausragende Qualifikation mit dem hohen Einkommen zusammenfällt. Als «High Achievers» folgen sie ihren Mutterkonzernen rund um den Globus. Den ursprünglich technischen Begriff haben sich die Expats mittlerweile selbst zugeschrieben. Untersucht wurde in der Region Basel das soziale und nicht das wirtschaftliche Potential dieser Topverdiener auf Durchreise. Es galt herauszufinden, wie sich ihr Engagement etwa in der Freiwilligen- oder Vereinsarbeit integrativ nutzen liesse.
Denn Expats sind durch ihre Communities vom ersten Tag an gut in der Schweiz aufgehoben. Die Communities pflegen ihre Websites und bieten für jede Fragestellung im Alltag, vom ersten Gespräch mit einem Zöllner über die Beschaffung von Haushalthilfen bis hin zur Partnersuche, den passenden Wegweiser durch die Schweiz. Es ist also denkbar, dass ein neu angekommener Expat zunächst mit der Schweizer Bevölkerung gar nicht in Berührung kommt.
Sprache als Barriere
Die Sprachbarriere sei der springende Punkt in der Frage, weshalb Expats nicht stärker integriert sind. «Und das gilt paradoxerweise nicht nur für Japanisch, Chinesisch oder Spanisch sprechende Expats, sondern auch für Deutsch sprechende», sagt Daniel Wiener.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Firmen alles daran setzen, dass es den international rekrutierten Fachkräften in der Schweiz gut geht. Die Förderung der Unternehmenskultur schadet also indirekt der Integration. «Diese Abnabelung von der Gesellschaft in der Schweiz ist schade», sagt Daniel Wiener.
Chance für die Gesellschaft und den Markt
Die Expats in der Region Basel zahlen rund zehn Prozent der Steuern und sind damit ein wirtschaftlich wichtiger Faktor. Das haben nach Veröffentlichung der Basler Studie auch die Detailhändler bemerkt und sich gefragt, wie sie die wachsende Bevölkerungsgruppe als Kunden gewinnen können.
Links zum Thema
- Der Frust der Expat-Frauen (10vor10, 6.7.2012)
- Integration der Expats in Zug (Schweiz aktuell, 30.7.2012)
- Import Expats - die reichen neuen Nachbarn (Input, 5.6.2011)
- «CH-Trilogie 1 - Expats», Theater am Neumarkt, Zürich
- «Expats Eidgenossen in Shanghai», Theater Basel
- Ecos-Studie: Potenziale und Herausforderungen der Expats
Als Paradebeispiel gilt jener Metzger aus Muttenz, der sein Schaufenster mit dem Slogan «Turkey – yes, we can» dekorierte und damit den US-amerikanischen Expats auf sympathische Weise zu verstehen gab, dass bei ihm jene Produkte erhältlich sind, die sie für ihren Lifestyle benötigen. «Das ist ein kommerzieller, aber es ist ein Anpassungsschritt der Schweizer Gesellschaft an den Markt, der sich durch die neuen Bewohner auftut», sagt Daniel Wiener.
Integration über die Kinder
Auch die Schulen sind gefordert. War es bislang die Regel, dass die grossen Unternehmen für die Ausbildung der Kinder ihrer Toparbeitskräfte an einer internationalen Schule aufkommen, tun sie das mittlerweile nur noch in den ersten zwei Jahren. Bleibt eine Familie länger, muss sie das Schulgeld selber bezahlen.
Das hat dazu geführt, dass Gymnasien in Basel neu auch das «IB» das «International Baccalauréat» anbieten. «Das ist ein Riesenfortschritt und eine grosse Chance für die Gesellschaft in der Schweiz», sagt Daniel Wiener.
Nicht zuletzt aufgrund der simplen Tatsache, dass Integration am ehesten über die Schulen, also die Kinder läuft. «Das Vakuum, das Expats bisher dargestellt haben, beginnt sich mit interessanten Menschen und Biografien zu füllen», sagt Daniel Wiener. «Davon kann die Gesellschaft nur profitieren.»