Interviews mit Pascal Couchepin gibt es viele. Oft werden sie begleitet von kleinen, etwas skurrilen Nebengeschichten. Eine davon stammt aus der NZZ am Sonntag.
Der ehemalige Bundesrat hatte einen Journalisten eingeladen und ihn im Auto durch seine Heimatstadt Martigny geführt. Dabei fuhr er in der falschen Richtung in eine Einbahnstrasse, doch statt zu wenden gab er Gas. Sein Kommentar: Das Signal ist neu, das respektiere ich noch nicht.
Humor: selten bei Politikern
Insofern war ich schon mal vorgewarnt und gespannt auf den eigenwilligen, inzwischen 75-jährigen Grandseigneur der Schweizer Politik, den die Medien auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Bundesratspräsident immer wieder als «Sonnenkönig» etikettierten, ihn bis heute beschreiben als einen, der die Provokation liebt, Eigenwilligkeit, Intelligenz und Widerspruchsgeist als Markengeist pflegt – abgefedert zuweilen durch Humor und Selbstironie. Gerade letzteres ist eine eher seltene Erscheinung bei Politikern.
Unser Interview war geplant als persönliche Begegnung zwischen dem ehemaligen Spitzenpolitiker Pascal Couchepin und Beat von Wartburg, Direktor der Basler Christoph Merian Stiftung.
Was ins Auge sticht ...
Ich wollte Pascal Couchepin zum Einstieg nicht – wie es oft zu lesen war in den vielen andern Interviews – in ein Gespräch nach seinen Verdiensten als Politiker, seinem Verhältnis zu Christoph Blocher oder zur direkten Demokratie zu fragen, oder Beat von Wartburg nach Sinn oder Unsinn grosser Stiftungen.
Darum wählte ich den Einstieg über eine kleine, aber erstaunliche Nebensächlichkeit, die sofort ins Auge sticht, wenn man die beiden Gesprächspartner nebeneinander sitzen sieht: ihre markante, höchst charaktervolle Nase. Jede für sich wäre nicht der Rede wert – so, wie ich im Traum nicht auf die Idee käme, Frau Merkel in einem Interview auf ihr Kostüm anzusprechen.
Sprachbilder um das herausragende Organ
Doch die Nase des Baslers und die des Wallisers sind so verblüffend identisch, gleichen sich wie ein Ei dem andern, dass ich dem Versuch nicht widerstehen konnte, mit ihrer Hilfe einen kleinen Ausflug zu machen in die populäre Volkskultur der Schweiz, wo sich erstaunlich viele französische und deutsche Sprachbilder um das herausragende Organ ranken.
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Ich stellte mir vor, wie die beiden, augenzwinkernd der Nase nach den Röstigraben mit dieser kleinen, selbstironische Spielerei überqueren würden, immerhin handelt es sich um zwei wortgewandte, selbstbewusste Gäste, beide ausgestattet mit einem guten Riecher für die Mechanismen der Macht.
Ein heikles Thema
Selten bin ich mit einem Gesprächseinstieg so abgeblitzt – um nicht zu sagen, auf der Nase gelandet. Pascal Couchepin schmetterte ein unmissverständliches «non» in die Runde – Beat von Wartburgs Versuch, das Thema von der heiklen Nase auf das vielleicht für einen Politiker weniger heikle Thema Rückgrat zu lenken, wurde mit einem vernichtenden Blick quittiert. Selbstironie und Volkskultur – das hatte ich begriffen – haben ihre Grenzen.
Ich zog zur Entspannung Plan B aus der Tasche und schlug das Thema «Macht» vor, was den Ex-Politiker in Sekundenschnelle mit meiner Gesprächsführung versöhnte. «Die Macht» – legte er los – «ist in der Schweiz begrenzt. Zum Glück»!
Meine Schlussfrage, wie viel Selbstironie sich ein Politiker in der Schweiz leisten darf, liess ich stillschweigend zur Nase unter den Tisch fallen lassen. Kill your darling – nennen wir das im Journalistenjargon.