An der Uferpromenade in Tsim-Sha-Tsui gibt es den klassischen Ausblick auf die weltberühmte Hongkonger Skyline. Fotografen sitzen unter Sonnenschirmen und warten auf Kundschaft.
Während Hongkongs Studenten Strassen blockieren und freie Wahlen fordern, posiert eine chinesische Reisegruppe für ein Erinnerungsfoto. Eins, zwei, drei «Qiezi» – zu deutsch «Aubergine» – sagen die Chinesen wenn sie vor der Kamera lächeln sollen.
40 Millionen chinesische Touristen
Allein im vergangenen Jahr haben über 40 Millionen Chinesen die Sonderverwaltungszone Hongkong besucht – rund sechs Mal so viele wie die Stadt Einwohner zählt. Sie kaufen hier Luxushandtaschen, Schmuck oder teure Markenuhren.
Bepackt mit Einkaufstüten flanieren drei junge Frauen aus der Provinz Guangdong entlang der Uferpromenade. Da sie an der Grenze zu Hongkong wohnen, besuchen sie die Stadt nur für einen Tag.
Tolle Proteste
Ja, dass Demonstrationen stattfänden, sagen sie, hätten sie schon mitbekommen. Die Proteste seien doch toll, findet die 26-jährige Online-Verkäuferin mit Nachnamen Wang. Ihren Vornamen will die junge Frau jedoch nicht nennen.
Natürlich wäre es schön, wenn sie auf dem chinesischen Festland auch einfach so demonstrieren könnten. Eine solche Protestaktion wie in Hongkong wäre zuhause aber unvorstellbar, sie würde sofort unterdrückt. Die Hongkonger sollen also ruhig auf die Strasse gehen, sind sich die drei Frauen einig. Diesen Mut hätten sie selbst nicht.
«Wir haben nichts mitbekommen»
«Welche Proteste?», fragt dagegen ein chinesischer Mann um die fünfzig. Sie hätten wirklich nichts mitbekommen, versichert dessen Sohn. Vier Tage lang will die Familie aus dem südostchinesischen Xiamen in Hongkong Urlaub machen. Für Proteste interessieren sie sich nicht.
Ebenfalls aus Xiamen stammt der Geschäftsmann Lin Jinsheng. Er habe nichts gegen die Proteste einzuwenden, findet er, schliesslich seien sie alle Chinesen. Man könne über alles reden. Auf die Frage, ob er sich Demokratie auch für China wünsche, schaut Lin jedoch überrascht.
«Auto, Wohnung, was will man mehr?»
Ehrlich gesagt, wisse er nicht genau was Demokratie sei, sagt der 30-jährige. Als Kind habe er mit zerschlissenen Hosen neben Strassenhunden gespielt, jetzt besitze er einen Kleinwagen und eine eigene Wohnung. Was man denn noch mehr wolle, fragt er rhetorisch.
Wo früher kleine Häuser standen, befänden sich heute Shopping-Malls und moderne Hochhäuser. «Wer weiss», ruft er noch nach, womöglich seien sie auch schon bald so wohlhabend wie die Hongkonger.