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Man sieht zwei Männer, die auf einer Bank sitzen und am Laptop arbeiten.
Legende: Für viele Arbeitnehmer ist es ganz normal, in der Freizeit zu arbeiten. Reuters

Gesellschaft & Religion Wenn der Chef auch nach Feierabend anruft – legal oder nicht?

Smartphones, Laptops, Tablets: Sie machen uns mobil und rund um die Uhr erreichbar – Wohl oder Übel. Die ständige Erreichbarkeit bedeutet für viele Arbeitnehmer, dass die Freizeit doch nicht so frei ist. Berufliche Mails nach Feierabend zu beantworten ist für viele normal. Doch ist es auch legal?

«Endlich Feierabend!» Das war einmal. Denn wo man früher mit dem allabendlichen Ausstempeln wirklich «frei von der Arbeit» war, hat der Feierabend heute für viele Arbeitnehmer eine geografische Bedeutung: Man ist zwar nicht mehr am Arbeitsplatz, arbeitet aber trotzdem noch weiter. Man beantwortet auch noch im Zug nach Hause eine E-Mail oder führt auf einer Party noch ein dienstliches Gespräch. Die Arbeit ist also zeitlich unbegrenzt – zumindest gefühlt. Denn auf dem Papier gibt es dafür rechtliche Grenzen, meint Laut Thomas Geiser, Professor für Arbeitsrecht an der Universität St.Gallen.

Praxis versus Theorie

Ein Porträt von Thomas Geiser.
Legende: Thomas Geiser, Professor für Arbeitsrecht an der Universität St.Gallen. SRF

«Wenn man berufliche E-Mails liest oder Mobiltelefone beantwortet, dann ist das Arbeit. Und die Arbeitszeiten sind im Arbeitsgesetz geregelt», erklärt der Arbeitsrechtexperte. Doch im Gegensatz zum Ausland habe die Schweiz eine ziemlich liberale Art, diese Arbeitszeiten zu regeln. Theoretisch gelte aber der Grundsatz: Arbeitszeit ist Arbeitszeit und Freizeit ist Freizeit. Und zwar auch, wenn das Mobiltelefon oder der Laptop vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird. Der Arbeitnehmer könne deswegen nicht mehr Arbeit vom Arbeitnehmer verlangen, so das Arbeitsgesetz.

Die Praxis ist anders: In einer neuen Umfrage gab jeder siebte Arbeitnehmer an, häufig oder gar sehr oft unbezahlt in der Freizeit zu arbeiten. Das Arbeitsgesetz scheint also diesbezüglich nicht viel zu nützen. «Da haben wir einen echten Notstand. Das Arbeitsrecht wird in einigen Branchen sehr genau eingehalten. In anderen Branchen wird es aber schlichtweg nicht umgesetzt.» Dies komme auch daher, so Geiser, dass die Kontrolle durch den Staat sehr beschränkt sei.

Schutz oder Entmündigung?

Eine Lösung für das Freizeits- beziehungsweise Arbeitsproblem gäbe es aber: Einige Unternehmen sperren am nach Arbeitsschluss ihr Intranet. Manch ein Arbeitnehmer mag sich jedoch da bevormundet fühlen: Wer arbeiten will, sollte das auch können – zu jeder Zeit. Der Wille konkurriert hier mit dem Schutz des Bürgers: «Der Grundgedanke des Schutzes durch das Recht ist immer eine Entmündigung des Bürgers. Es ist eine Schutzvorschrift zugunsten des einzelnen Bürgers – nötigenfalls auch gegen seinen Willen.» Doch schliesslich hat der Bürger das letzte Wort: Hält er die Arbeitsgesetze nicht freiwillig ein, kann sie der Staat nicht auf eigene Faust durchsetzen. Er ist machtlos.

Wenn jedoch die Arbeitsgesetze, die den Arbeitnehmer schützen sollten, nicht mal von diesem goutiert werden, stellt sich die Frage: Ist die Schweiz arbeitsrechtlich à jour? Oder verzichtet man besser auf die bestehenden Gesetze? «Die ganze Frage der Arbeitszeiten ist sehr im Fluss. Die Gesellschaft und auch das Recht hinken da sicherlich hinterher. Ich glaube aber, dass es Zeiten geben muss, in denen man sich auch geistig von seiner Arbeit entfernt. Daran wird sich auch nichts ändern», so Geiser. Er fügt aber an: «Dafür muss man aber kämpfen».

Hündchen oder wichtige Person?

Eine Möglichkeit sieht Geiser darin, sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer zu sensibilisieren. Nämlich darauf, dass es richtig sei, in der Freizeit nicht zu arbeiten. Zudem sei es auch eine Mode-Frage: «Wird es als sinnvoll angesehen, wenn jemand an einer Party dauernd an seinem Handy ist, wenn der Arbeitgeber geschrieben hat - also offensichtlich wie ein Hündchen behandelt wird - oder gibt es der Umgebung den Eindruck, besonders wichtig zu sein?» Was richtig oder falsch ist, scheint also eher eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz zu sein, als eine des Arbeitsrechts.

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