- Die Zusammenarbeit zwischen multinationalen Wirtschaftskonzernen und NGOs ist problematisch, wenn ein Unternehmen versucht, mögliche Kritik durch Spenden zu verhindern.
- Interessenkonflikte zwischen der Konzernpolitik und den Zielen der NGOs untergraben vor allem die Glaubwürdigkeit der NGOs.
- Der Prozess ist schleichend, NGOs werden systematisch in ihrer Unabhängigkeit ausgehöhlt: «Man kritisiert keinen Spender.»
Drei Milliarden Dollar Strafe
Am 2. Juli 2012 verkündet das US-Justizministerium eine der höchsten Strafen für ein Unternehmen in der US-Geschichte: drei Milliarden Dollar. Der britische Pharma-Konzern Glaxo-Smith-Kline (GSK) hat sich schuldig bekannt, hunderte Ärzte mit kostenlosem Schnorchelurlaub auf Hawaii und Tickets für Madonna-Konzerte bestochen zu haben. Die Ärzte sollten Kindern das nicht für diese zugelassene Antidepressivum Paxil verschreiben.
Wenige Monate später verkünden Sir Andrew Witty, Vorstandsvorsitzender von Glaxo-Smith-Kline seit 2008, und Frederick Forsyth, Chef der Kinderhilfsorganisation «Save the Children» in Grossbritannien, eine 20 Millionen Euro-Partnerschaft. Gemeinsam wolle man Medikamente und Impfstoffe für Kinder entwickeln, Gesundheitsarbeiter ausbilden und auf humanitäre Notfälle reagieren.
Eine Zusammenarbeit, in der die Vorteile überwiegen
«Save the Children» ist mit Jahreseinnahmen von über zwei Milliarden Franken die wohl finanzstärkste Hilfsorganisation der Welt. Die Organisation hat sich grosse Verdienste erworben im Einsatz für Kinderrechte, bessere Ernährung, Gesundheitsfürsorge und Bildung für Kinder.
Sie hat zusammen mit UNICEF die «Children’s Rights and Business Principles» entwickelt. Danach sollen Unternehmen mit Produkten und Werbung nicht die Gesundheit von Kindern gefährden. Dessen ungeachtet verteidigt die Organisation ihre Partnerschaft mit GSK: Man glaube, dass gegenüber den Risiken «die Vorteile überwiegen.»
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Keine Einzelfälle
«Save the Children» finanziert überdies Gesundheitsprojekte für Kinder mit Geld multinationaler Nahrungsmittelkonzerne – darunter Mondelez und Pepsico. Beide Unternehmen verletzen von «Save the Children» unterstützte Richtlinien der WHO. Danach sollen Unternehmen keine Werbung schalten, die auf Kinder zielt, wenn die beworbenen Nahrungsmittel viel gesättigte Fette, gefährliche Transfettsäuren, Zucker und Salz enthalten.
In Indien jedoch animiert Mondelez kleine Kinder, viel Cadbury-Schokolade zu konsumieren; Pepsico suggeriert indischen Schulkindern im Alter von zehn bis zwölf Jahren, salzige Snacks seiner Marke Lay’s und Pepsi-Cola gehörten zu einem coolen Lifestyle.
«Save the Children» sieht keinen Interessenkonflikt darin, den genannten Konzernen durch die Partnerschaft zu noch mehr Umsatz mit ungesunden Produkten zu verhelfen. Man «fördere eine gesunde und ausgewogene Ernährung von Kindern und unterstütze keinerlei Produkte von Nahrungsmittelunternehmen».
Tiefgreifende Veränderungen der NGO's
Die Kooperation mit multinationalen Konzernen habe NGOs wie «Save the Children» tiefgreifend verändert, meint die kanadische Ökonomin Genevieve Lebaron, die mehrere Bücher zum Thema geschrieben hat. Einstige Graswurzelorganisationen hätten sich in weltweit operierende Unternehmen verwandelt – «gemanagt von Betriebswirten mit sechsstelligen Jahreseinkommen im Rahmen straffer Hierarchien».
«Save the Children» hat heute weltweit 14'000 fest angestellte Mitarbeiter. Während Praktikanten und Freiwillige oft kostenlos arbeiten, verdient die Chefin, die ehemalige dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, 306'000 Euro jährlich.
Man verärgert keine Spender
Überdies kritisiert die Organisation kaum je ein Unternehmen, mit dem sie zusammenarbeitet. Im Gegenteil: Es gibt Hinweise, dass «Save the Children» Kritik an wichtigen Geldgebern intern unterdrückt. So schrieb Dominic Nutt , früher Pressesprecher von «Save the Children Grossbritannien», am 10. Dezember 2013 in der britischen Zeitung «The Independent»:
«Als seinerzeit das Unternehmen ‹British Gas› seine Preise erhöhte, baten uns Kollegen von der Politik-Abteilung, dies in einer Pressemitteilung zu verurteilen. Ich schrieb die Pressemitteilung und bekam sie von der zuständigen Abteilung abgesegnet. Dann aber wurde sie gestoppt; und als Begründung sagte man mir, man wolle das Unternehmen, das ein wichtiger Spender war, nicht verärgern.»
«Save the Children» bestritt die Aussagen seines früheren Pressesprechers entschieden. Dominic Nutt zog sie jedoch nie öffentlich zurück. Heute ist «Save the Children» ein wichtiger Kunde der Public Relations-Firma, die Dominic Nutt leitet.