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Drei Physiker sitzen nebeneinander und betrachten eine Glasröhre.
Legende: Niemand bemerkte den Betrug: Jan Hendrik Schön (links) im Lucent Technologies' Bell Laboratories in Murray Hill. Keystone

Gesellschaft & Religion Wie ein Physiker beinah einen Nobelpreis erschwindelte

Der deutsche Physiker Jan Hendrik Schön gilt als einer der dreistesten Betrüger seines Fachs. Über Jahre erfand er spektakuläre Resultate – niemand bemerkte es. Wie kann das sein? Das fragte sich der Tessiner Autor Gianfranco D'Anna. Eine Antwort gibt sein Roman, der nun auf Deutsch erschienen ist.

Gianfranco D'Anna liebt die Wissenschaft. Das wird schnell klar, wenn man sich mit ihm unterhält. Er spricht von Leidenschaft, von Hingabe. Und doch stört den Tessiner etwas an der Wissenschaft: der Druck, in hochrangigen Journalen publizieren zu müssen. «Das ist ein grosses Problem», sagt er. «Es ist destruktiv.»

Buchhinweis

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Gianfranco D'Anna: «Albert Thebell, Physiker und Fälscher». Verlag die Brotsuppe, 2014.

Kaum irgendwo lässt sich das besser beobachten als beim Fall des Jan Hendrik Schön. Als junger Forscher kam Schön 1997 an die berühmten Bell Labs in New Jersey, um die elektronischen Eigenschaften neuer Materialien zu erforschen. Als sich der Erfolg nicht gleich einstellte, wurde er erfinderisch. Er dachte sich immer neue, fabelhafte Resultate aus.

Alle schwärmten vom Genie

Mit Erfolg: Innert kürzester Zeit konnte er nicht weniger als 15 Fachartikel in den hochrangigen Fachzeitschriften «Nature» und «Science» unterbringen. Niemand bemerkte den Betrug; alle schwärmten vom Genie. Schön galt schon als Nobelpreiskandidat, doch dann kamen ihm seine Kollegen doch auf die Schliche.

Ausgehend von dieser wahren Geschichte hat der Autor Gianfranco D’Anna einen Roman geschrieben. Das Buch heisst «Albert Thebell, Physiker und Fälscher» und ist soeben auf Deutsch erschienen. Der Autor wagt darin eine Simulation der Geschichte, wie sie sich zugetragen haben könnte. Die Personen heissen anders, die meisten Fakten aber stimmen.

Ein Betrug ohne Schuldigen

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Herausgekommen ist eine Art Wissenschaftskrimi: Der Täter ist von Anfang an bekannt und doch fiebert man mit, bis der Betrug endlich auffliegt. Die Schuld an dem Skandal gibt Gianfranco D’Anna allerdings niemandem – nicht dem Fälscher, nicht seinen Betreuern und Kollegen. «Sie verhalten sich alle eigentlich professionell, aber das System Wissenschaft drängt sie in die falsche Richtung», sagt D’Anna.

Der Tessiner hat Verständnis für die Forscher, denn er kennt das Forscherleben gut. Er ist selber Physiker und war früher sogar einige Zeit in den Bell Labs tätig, allerdings nicht zur selben Zeit wie der Fälscher Jan Hendrik Schön. Ihn hat Gianfranco D'Anna also nie getroffen, die anderen Beteiligten in diesem Fall aber kennt er persönlich.

Das merkt man bei der Lektüre des Romans. Alle Figuren im Buch sind sehr plastisch beschrieben. Das Werk lebt von D’Annas eigenen Erfahrungen in der Welt der Wissenschaft. Es ist ein lesenswertes Kammerstück über die zwischenmenschliche Dynamik im Labor, über Betrug und Ehrlichkeit, über Leistungsdruck und Gefallsucht.

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