Es ist ein prachtvolles Buch, das uns Eberhard Tröger als Autor und ETH-Professor Dietmar Eberle als Herausgeber vorlegen. «Dichte Atmosphäre» bringt gut zwei Kilo auf die Waage und ist eine ausgefeilte Analyse diverser Quartiere in Zürich, Wien, Berlin und München.
Das Wort «Dichte» löst oft Unbehagen aus
Als Forscher sind die beiden losgezogen, um der Dichte und vor allem ihrer Wirkung auf die Schliche zu kommen. Denn, so haben beide festgestellt, Dichte ist zwar ein Gebot der Stunde und damit politisch kaum umstritten, aber trotzdem löst das Wort bei vielen Menschen Unbehagen aus.
Umfragen in Deutschland beispielsweise zeigen, dass nur 30 Prozent der Befragten mit «Dichte» und «Urbanität» etwas Positives verbinden. «Dichte und Individualisierung stehen prinzipiell in einem phobischen Verhältnis zueinander», bringt es Eberhard Tröger auf den Punkt.
Bereits Corbusier übte Kritik
Beiträge zum Thema
Das Thema Dichte ist alt. Wer das städtebauliche Manifest «Die Charta von Athen» von 1933 liest, stösst auf erstaunliche Parallelen zu heute. Unter der Leitung von Le Corbusier wurde kritisiert, dass die Stadtentwicklung durch die «unaufhörliche Aneinanderreihung von Privatinteressen» geprägt sei. Gefordert wurde ein «richtiges Verhältnis von Baumasse zu freiem Raum».
Dass die öden Wohnsiedlungen, die in der Folge in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden sind, nicht das Gelbe vom Ei sind, ist längst bekannt. Die städtebaulichen Fragen aber sind geblieben.
Der Vorgarten als Atmosphäre-Generator
36 Stadtquartiere hat Eberhard Tröger in seinem Buch unter die Lupe genommen. Er kommt zum Schluss, dass der öffentliche Raum eine Schlüsselrolle spielt, ob in der baulichen Dichte eine gute Atmosphäre entsteht. Die Scheuchzerstrasse in Zürich sei dafür ein gutes Beispiel, sagt Tröger.
Der starre Bebauungsplan im 19. Jahrhundert sah vor, dass die drei- bis vierstöckigen Häuser einen Abstand von sieben Metern haben mussten. Das heisst: Jedes Haus ist mit einem schmalen Streifen Garten umgeben. «Die Situation ist paradox: Als Garten ist der Streifen eigentlich nutzlos. Aber das Grün wirkt hinaus auf die Strasse, auf den öffentlichen Raum», beschreibt Tröger die Situation. Der Gartenstreifen wird zum Atmosphäre-Generator für das ganze Quartier.
Ein Wälzer über ein hochaktuelles Thema
Wichtige Faktoren, die die Atmosphäre beeinflussen, sind neben dem öffentlichen Raum also auch das Verhältnis zwischen privatem und öffentlichem Grünanteil sowie die hierarchische Gliederung der Strasse.
«Dichte Atmosphäre» ist ein dickes Handbuch über die bauliche Dichte in der mitteleuropäischen Stadt. Anhand von Analysen, Bildern, Karten und Diagrammen rückt es ein hochaktuelles Thema ins Zentrum.