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Ein Mann spielt Schlagzeug und ist sichtlich erschöpft.
Legende: Man sieht es ihnen nicht immer so deutlich an, aber viele Künstler vollbringen körperliche Höchstleistungen. Getty Images

Gesellschaft & Religion Wieviel Spitzensport leisten Kulturschaffende?

Manchmal ist sie offensichtlich, manchmal überraschend: die körperliche Schwerstarbeit, die hinter einem künstlerischen Auftritt steckt. Wie schneiden Musiker, Sänger oder Tänzer ab, wenn man sie mit Spitzensportlern vergleicht?

Trainingsaufwand

Was beim Sportler das Training ist, ist beim Kulturschaffenden das Üben und Proben. Mannschaftssportler trainieren im Durchschnitt zwei Stunden pro Tag gemeinsam, manchmal kommen ein bis zwei Stunden individuelles Training hinzu. Bei den zeitaufwändigeren Ausdauer-Sportarten können es bis sechs Stunden täglich sein.

Viele Kulturschaffende schlagen die Mannschaftssportler locker, wenn man den Zeitaufwand betrachtet. Bereits eine Orchester- oder Theaterprobe dauert so lange wie ein Mannschaftstraining. Dazu kommt das individuelle Üben. Plus das sportliche Training.

Denn immer öfter pflegen auch Kulturschaffende ihren Körper. Sie machen Krafttraining, Yoga, Ausdauertraining oder Bewegungsschulungen, um fit zu sein für die körperliche Belastung. Bis zu zehn Stunden «Training» pro Tag kommen so zusammen. Mehr als bei jedem Sportler. Allerdings ist das Training bei Kulturschaffenden selten so belastend für den Körper wie bei Sportlern. Ein direkter Vergleich der Stunden ist also nicht ganz fair.

Körperliche Belastung

Ist die Belastung bei einem Fussballspiel, mit der bei einem klassischen Konzert oder einer Theateraufführung vergleichbar? Pulsmessungen bei Bläsern zeigen, dass ihr Puls in ähnliche Höhen schnellen kann wie bei Fussballern. Sänger brauchen Atemmuskeln, Bauch- und Rückenmuskeln, und kommen ausser Atem wie Läufer. Dirigenten verlieren durch Schwitzen bis zu drei Kilogramm Körpergewicht. Der kreative Auftritt, der oft leicht und beschwingt daherkommt, ist häufig Schwerarbeit, annähernd vergleichbar mit der eines Sportlers. Schwerarbeit, die aber hinter der Fassade verborgen bleibt.

Beschwerden

Experiment Sendungstausch

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Die Redaktionen von sportlounge und Kulturplatz haben ein Experiment gewagt und einander für eine Sendung die redaktionelle Hoheit überlassen. In der Sendung Kulturplatz vom 19. August 2015 schauen die Redaktoren des Sport-Hintergrundmagazins auf den Kulturbetrieb und fragen: Wo ist die Kultur sportlich?

Schäden am Bewegungsapparat sind ein Indiz dafür, wie stark der Körper eines Sportlers oder eben auch eines Kulturschaffenden belastet wird. Spitzensport, das weiss man, ist oft Raubbau am Körper. Tennisspieler oder Kunstturnerinnen haben Arthrose infolge der ständigen Überlastung. Boxer oder Fussballer werden dement von den Hirnerschütterungen. Bei Ausdauersportlern kann ein plötzlicher Herztod auftreten.

Jedoch bleiben auch die Beschwerden bei Musikern, Tänzern oder Sängern nicht aus. Es gibt kaum einen Musiker, der nicht an Rückenschmerzen leidet. Das stundenlange Sitzen, oft asymmetrisch, ist Gift für den Rücken. Sänger kriegen wegen Überlastung Polypen, also Knötchen, auf den Stimmbändern, was sogar das Karriereende bedeuten kann. Bläser haben Zahnprobleme. Tänzer sind mit 30 Jahren derart geschädigt, dass die meisten ihre Karriere beenden müssen.

Fazit

Weil man die Anstrengung nicht sehen soll, weil die Musik, der Tanz, das Theaterstück für sich selbst sprechen soll, bleibt die körperliche Leistung der Kulturschaffenden oft verborgen. Obwohl sie teils ähnlich hoch ist wie bei Spitzensportlern, was sich auch bei den Überlastungsfolgen zeigt.

Nur: Kulturschaffende können weniger einfach mit 30, 35 Jahren zurücktreten und Funktionär, Trainer oder Werbebotschafter werden. Sie bleiben ihrem Beruf auch mit 50 und mehr Jahren treu – weil sie wollen, aber auch, weil sie oft keine andere Wahl haben. 50-jährige Spitzensportler hingegen, das sucht man bis auf einige exotische Ausnahmen vergeblich.

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