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Leere Schulbank
Legende: Schwänzen gehört zum Schulalltag – bleibt aber nicht ohne Folgen. Keystone

Gesellschaft & Religion Zu cool für die Schule: Schwänzen hat viele Ursachen

Rund die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler der 7. bis 9. Klasse bleibt gelegentlich ohne Begründung der Schule fern. Eine Studie der Universität Freiburg kommt nun zum Schluss: Das Phänomen Schulabsentismus wird zu wenig beachtet. Gefordert wird Präsenz als oberstes Schulgebot.

Es gibt zahlreiche Gründe, nicht in der Schule zu erscheinen: Liebeskummer, fehlende Motivation, Prüfungen oder eine lästige Lektion im Stundenplan. Nicht immer sind Faulheit oder Überforderung mit dem Stoff der Anlass, blau zu machen. Es kann auch Langeweile als Folge von Unterforderung sein.

Blaumachen als Kavaliersdelikt

Link zur Studie

Die neue Studie der Universität Freiburg mit dem Titel «Zu cool für die Schule» hat sich mit dem Schulschwänzen befasst. Untersucht wurde, welche negativen Folgen sich einstellen, wenn das gelegentliche zum massiven Fernbleiben der Schule wird, und unter welchen Voraussetzungen Schulabsentismus in Schulabbruch oder Ausschluss endet.

Das Phänomen des Schulabsentismus werde unterschätzt, sagt Margrit Stamm. Sie ist Erziehungswissenschaftlerin und emeritierte Professorin der Universität Freiburg und befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema. «Bei guten Schülerinnen und Schülern gilt Blaumachen als Kavaliersdelikt und ist kein Problem, in der neuen Studie haben wir auf die Problemfälle fokussiert.»

Wenn der Überdruss Überhand gewinnt

Die Studie «Zu cool für die Schule» unterscheidet zwischen Schulabbrüchen, Schulausstiegen und Schulausschlüssen als Folge von massivem Schwänzen.

Den Schulabbruch («Drop-Out») dürfte es statistisch gesehen nicht geben, da die Schulpflicht in der Schweiz neun Jahre dauert. Schulabbrüche treten nicht plötzlich auf, sondern zeichnen sich in den meisten Fällen bereits im Kindergarten oder in der Primarschule ab. Die Ursache ist meist ein Abwärtstrend, bei dem viele individuelle Faktoren mitspielen: Motivationsstörungen, familiäre Zerrüttung und schlechte Schulleistungen in Kombination mit Blossstellungen, Repressionen und einem schlechtem Schulklima.

Der Schüler ist da, aber er stört

Anders sieht es bei den Schaulausschlüssen aus. Sie sind als disziplinarische Massnahmen gegen Schülerinnen und Schüler gedacht, die zwar in der Schule anwesend sind, aber absichtlich stören. Diese verhaltensschwierigen Schüler sabotieren den Unterricht, verweigern die Leistung oder bedrohen Mitschüler und Lehrpersonen.

Der Schulausschluss erfolgt auf Zeit und hat zum Ziel, diese Situation zu entschärfen. Danach soll der ausgeschlossene Schüler in jedem Fall reintegriert werden. Schulausschluss liegt in fast allen Kantonen stark im Trend, doch seine Nachhaltigkeit ist fraglich. Nur 50 bis 70 Prozent der Ausgeschlossenen können erfolgreich reintegriert werden, fand man in der Studie heraus.

Wachsender Druck auf die Schulen

Einen verhaltensschwierigen Schüler auszuschliessen, sei sowieso die falsche Reaktion, sagt Margrit Stamm. «Diese Sichtweise ist relativ neu. Bisher galt die Annahme, dass ein absenter Schüler ein familiäres Problem sei.» Komme es zu einem Problemfall, seien alle Akteure gefragt: die Schule, der schulpsychologische Dienst und die Familie. «Man müsste sich mit einer externen Beratungsperson an einen Tisch setzen und zusammen mit dem Schüler Zielvereinbarungen erarbeiten», fordert Stamm weiter.

Genau bei diesen weiteren Massnahmen sieht Margrit Stamm das grösste Problem: «Viele Schulen haben eine Absenzenregelung, doch wird sie oft nicht konsequent eingehalten. Und wenn man Konsequenzen ziehen müsste, die weiter gehen, als nur ein Verweis, steckt man den Kopf in den Sand».

Die Schulen und die Bildungspolitik sind also gefordert. Denn mit Bürokratie ist dem Schulabsentismus keine Abhilfe getan. «Die Diskussion, ob Absenzen ins Zeugnis gehören oder nicht, hat wenig mit pädagogischem Handeln zu tun», sagt Margrit Stamm.

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