«Da war ich zum ersten Mal jemand. Oder ich dachte, ich wäre jemand.» Pascal Brawand war noch ein Bub, als er zum Boxen fand. Verletzt und verwundet. «Die Fäuste flogen nicht nur physisch, sondern auch psychisch.»
Brawand erlebte häusliche Gewalt durch seinen Stiefvater und suchte Rache. Das Boxen gab ihm das nötige Rüstzeug, zurückgeschlagen hat er nie. Was damals geschah, sei heute «vergeben und vergessen».
Boxen als Therapie
Statt Konfrontation mit dem Stiefvater gab es Karriere: Pascal Brawand schloss mehrere Ausbildungen als Handwerker ab und profilierte sich als Amateurboxer, war viermal Schweizermeister, zweimal Vizemeister. Heute führt er seit fast 15 Jahren einen Boxclub in Bern.
«Boxen zur Bildung» heisst das Projekt, das er zusammen mit seiner Frau aufgebaut hat. Es ist sein grosser Stolz. Hier trainieren Jung und Alt, Anfänger und Fortgeschrittene – und Menschen, die manchmal mit dem Leben ringen.
Eines der vielen Angebote des Clubs: therapeutisches Boxen. «Es ist ein Verbund zwischen Boxen als Sport und Beratung als Gespräch», erklärt Brawand. Seine Schüler kommen mit Fragen zu ihm wie «Wie kann ich mehr Mut ausserhalb des Rings entwickeln? Wie kann ich da mehr Selbstwert gewinnen?»
Warum ich?
Er selbst findet Rat bei Gott, auch wenn ihn dieser auch schon ratlos liess. Schon früh habe er sich gefragt, warum es gewissen Menschen gut gehe und manchen nicht.
Wie ihm, der zu Hause oft durch die Hölle ging, oder Kindern, die im Krieg aufwachsen. «Ich verstand Gott nicht mehr», sagt Pascal Brawand. Er wandte sich von ihm ab.
Der Kampf ist ausgefochten
Ein schwerer Unfall brachte Brawand zurück zum Glauben. «Ich wurde mir plötzlich meiner eigenen Endlichkeit bewusst», erzählt Brawand.
Er habe Erlösung und Hilfe gesucht und verschiedene Religionen «abgeklappert», bis er – auch dank der Gebete seiner Frau – zum Christentum zurückfand. «Eine unerhörte Erfahrung» sei es gewesen, als er wieder eine Bibel in der Hand hatte. «Diese Verse, diese Liebe.»
Einsam auf einer Wiese wandte er sich dann Jesus zu. Seither sei er ein «Kind Gottes» – und endlich zu Hause angekommen. «Ich konnte jetzt der sein, der ich bin. Der Kampf: Er war ausgefochten.»
Boxen, beten, büffeln
Trotzdem, sagt Brawand, müsste man auch als «Kind Gottes» seinen Weg selbst gehen, auch wenn er manchmal leidvoll sei. Er geht seinen gerne ungewöhnlich.
Nachdem er zu seinem Glauben gefunden hatte, schloss Brawand einen Master in Theologie ab. In praktischer Theologie. Brawand will anpacken, auch ausserhalb des Rings, und Menschen helfen. Zurzeit macht Brawand eine Weiterbildung zum Seelsorger.
Keine heilige Halle
Im Studio am Stadtrand lebt Brawand seinen Glauben offen. Und doch gibt Gott hier nicht den Ton an. «Auch mal ein kritischer Spruch zu Gott darf hier fallen», bekräftigt er. Es sei keine «christliche Boxschule», sondern ein Boxstudio von Christen.
Hier, in seiner Halle, begegne man sich auf Augenhöhe. Jeder sei willkommen, solle sich geborgen fühlen. So wie er damals, als er zu Gott fand.