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Gottesdienst zu Corona-Zeiten Die Kirchen öffnen nach den Beizen – und nicht für Risikogruppen

Ab dem 8. Juni dürfen wieder Gottesdienste stattfinden. Gläubigen über 65 und kranken Menschen wird aber empfohlen, zu Hause zu bleiben. Das sorgt innerhalb der Kirchen für Kritik.

Die römisch-katholischen Bischöfe waren am schnellsten. Bereits vor einer Woche haben sie ihr Corona-Schutzkonzept vorgestellt. Im Verlauf der letzten Woche folgten die Freikirchen und die evangelisch-reformierte Kirche.

Die Grundsätze sind bei allen dieselben: Beim Eingang muss man die Hände desinfizieren. In der Kirche genügend Abstand halten, entsprechend wird die Zahl der Besucherinnen und Besucher beschränkt. Und die Bitte an ältere und kranke Menschen lautet, zu Hause zu bleiben.

Bundesrat fordert Schutzkonzepte

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Am 29. April entscheid der Bundesrat , dass:

  • der Detailhandel, Schulen, Museen, Bibliotheken und Restaurants ab 11. Mai wieder öffnen dürfen.
  • Gottesdienste ebenso wie Theater und Kino erst ab 8. Juni wieder stattfinden dürfen.

Die Lockerungen sind an die Bedingung geknüpft, dass die Institutionen entsprechende Schutzkonzepte vorlegen.

Heikler Ausschluss

Ein schwieriger Punkt, mit dem auch er Mühe habe, sagt Felix Gmür, Präsident der römisch-katholischen Bischofskonferenz: «Christliche Gemeinschaft ist Gemeinschaft, die einschliesst, nicht ausschliesst. Ein Schutzkonzept ist aber von Natur aus etwas, das ausschliesst. Es lässt sich nicht mit der Idee einer christlichen Gemeinschaft in Einklang bringen.»

Insbesondere, weil es gerade jene auschliesse, die eigentlich eingeschlossen werden sollten, «vor allem die Kranken.»

«Unschön, aber notwendig»

Der Ausschluss von Menschen über 65 hat für heftige Kritik gesorgt. Inakzeptabel und empörend sei das, schrieb etwa Christian von Arx, Chefredakteur des römisch-katholischen Pfarrblattes der Nordwestschweiz.

Unschön findet es auch Gottfried Locher, Präsident der evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS. Und doch nötig.

«Es ist schlecht, wenn wir älteren Menschen den Gottesdienst nur bedingt öffnen können. Es wäre aber noch schlechter, wenn wir wegen unsorgfältigen Vorgehens noch viele Monate nicht in die Normalität übergehen könnten.» Wir befänden uns in einer Übergangszeit, in der es besondere Sorgfalt brauche.

Zu wenig Lobby im Bundeshaus?

Dass aber Kirchen vorerst geschlossen bleiben, während Restaurants Bibliotheken, Schulen und Museen wieder öffnen, erstaunt. Haben sich die Bischöfe und die EKS zu wenig stark für die Gläubigen eingesetzt? Zu wenig lobbyiert?

«Die Kirche ist eine Glaubensorganisation und keine Lobby-Vereinigung», sagt Bischof Felix Gmür. Das würde auch Gottfried Locher, Präsident der EKS unterschreiben. Er betont, dass die EKS durchaus beim Bundesrat vorstellig geworden sei und erklärt: «Kirchenrecht ist in der Schweiz kantonales Recht. Es ist neu, dass der Bundesrat sich so direkt mit den Kirchen auseinandersetzen muss.»

Gleichzeitig bestätigt Gottfried Locher den Eindruck, dass die Gottesdienste für den Bundesrat bisher ziemlich weit hinten auf der Traktandenliste standen. «Ich glaube, der Bundesrat hatte die Religionsgemeinschaften nicht genügend auf dem Radar.» Locher ist aber überzeugt, dass der Bundesrat nun ein offenes Ohr hat für ihre Anliegen.

Auch Schweizer Jüdinnen und Juden fordern raschere Öffnung

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Auch der Schweizerische Israelitische Gemeindebund und die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz haben sich letzten Freitag mit einem offenen Brief beim Bundesrat für eine schnellere Öffnung der Gotteshäuser eingesetzt.

Die Glaubensfreiheit sei ein hohes Gut und gerade für die jüdische Gemeinschaft von essenzieller Wichtigkeit, heisst es im Schreiben.

Auch hat der jüdische Gemeindebund ein Schutzkonzept für Synagogen präsentiert, das sich weitgehend mit dem der Kirchen deckt.

Feiertage ohne Gottesdienst

Trotzdem gilt: Gottesdienste sind frühestens am 8. Juni wieder möglich. Das bedeutet, dass Auffahrt am 21. Mai und Pfingsten am 31. Mai nicht in den Kirchen stattfinden.

«Ich hätte mir gewünscht, an Auffahrt und an Pfingsten – sozusagen dem Gründungsfest der Kirche – wieder Gottesdienst feiern zu können», sagt Felix Gmür. Enttäuscht sei er aber nicht, betont er. Der Glaube könne auch in anderen Formen gelebt werden als in den Gottesdiensten.

Gottfried Locher sagt in Bezug auf das Verbot von Gottesdiensten an Pfingsten: «Ich bin nicht ganz sicher, ob da das letzte Wort gesprochen ist.» Falls die Schutzkonzepte der Kirchen den Bundesrat überzeugen und sie ihm darlegen können, wie wichtig Gottesdienste sind, dann besteht unter Umständen Hoffnung auf eine frühere Öffnung.

Radio SRF 2 Kultur, Blickpunkt Religion, 3. Mai 2020, 8:03 Uhr

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