Das Wichtigste in Kürze
- Ägypten baut unweit der Pyramiden ein riesiges Museum für seine antiken Schätze, das Grand Egyptian Museum.
- Bereits heute gibt es moderne Laboratorien zur Untersuchung und Restaurierung der Artefakte.
- Obwohl Ägypten seit der Revolution von 2011 wirtschaftlich schlecht dasteht, stösst das Projekt auf wenig Widerstand.
Zwei Kilometer westlich des letzten verbliebenen antiken Weltwunders baut Ägypten ein neues Wunder: Hier, auf einer Sanddüne mit bester Sicht auf die Pyramiden von Gizeh, entsteht das Grand Egyptian Museum – das grosse ägyptische Museum. Wenn Ende 2018 wie geplant erste Teile eröffnet werden, wird es zu den grössten Museen der Welt zählen.
Unglaubliche Zahlen
Die Eckdaten können einen schwindlig machen: 100'000 Quadratmeter Fläche, davon 50'000 überdacht, misst es. Darin werden 50'000 Artefakte von der Urgeschichte bis zur griechisch-römischen Epoche ausgestellt.
30'000 Stücke hat die Welt zuvor noch nie gesehen. Weitere 50'000 Objekte sollen in jederzeit zugänglichen Magazinen lagern.
Grundsteinlegung vor 15 Jahren
Die Kronjuwelen des Hauses sind die Grabbeigaben des Königs Tutanchamun. Zum ersten Mal werden sämtliche rund 5000 Objekte präsentiert, auf die Howard Carter 1922 bei der spektakulären Entdeckung des Grabes stiess. Viele von ihnen hatten im überfüllten ägyptischen Museum am Tahrir-Platz keinen Ausstellungsplatz oder waren noch nicht restauriert worden.
Den Grundstein für das Grand Egyptian Museum, kurz GEM genannt, legte noch Langzeitherrscher Hosni Mubarak im Jahr 2002. Zwei Jahre später, nach dem grössten Museums-Architekturwettbewerb der Geschichte, fingen die Bauarbeiten für das GEM an.
Steigende Baukosten – ungewisser Eröffnungstermin
Seither wurde dessen Eröffnung schon des Öfteren angekündigt und wieder verschoben. Die Baukosten stiegen auf 1,3 Milliarden US-Dollar.
Inzwischen lägen sie dank «Value Engineering» wieder bei einer Milliarde, wie Museumsdirektor in spe Tarek Tawfik sagt. Er ist seit 2014 der Hauptverantwortliche für das Gesamtprojekt. Und er prognostizierte von Anfang an das Eröffnungsdatum auf Ende 2018.
Daran glaubt er auch jetzt noch. «Das Museum sei zu 70 Prozent fertig», liess sich auch Ägyptens Antikenminister vor wenigen Tagen in der Zeitung «Egypt Today» zitieren. Ende 2018 werde es mit Tutanchamuns Schätzen eröffnet.
Labors bereits in Betrieb
Bereits fertig und seit 2010 in Betrieb sind die 17 Restaurations-Labors. Hier werden die Artefakte auf ihren neuen Auftritt vorbereitet.
Es handle sich um die grössten Labors der Welt, sagt Tarek Tawfik. Die Restauratoren seien zu jeder erdenklichen Weiterbildung geschickt worden, um auf dem allerneusten Stand arbeiten zu können.
Tutanchamuns Goldschatz
Tawfik zeigt auf ein paar schicke Schuhe: Pharao Tutanchamuns Goldsandalen sahen sehr alt aus, als sie hier eintrafen. Jetzt könnte man mit ihnen locker wieder an der Nil Promenade spazieren gehen. Auch Tutanchamuns letztes Bett, seine Streitwagen, sein Schmuck, sein ganzer Hausrat für das Jenseits wird hier nun gesäubert und geflickt.
Das alles möglichst schonend: So wird zum Beispiel ein Leim auf Wasserbasis benutzt. «Alles, was wir hier tun, ist zu 100 Prozent reversibel», sagt Tarek Tawfik: «Sollte die Zukunft eine bessere Restaurationsmethode mit sich bringen, wird man diese anwenden können.»
Megaprojekt während einer Wirtschaftskrise
«Eine vierte Pyramide von Gizeh», so nannte Tarek Tawfik sein GEM auch schon. Hinter dem spektakulären Hauptbau sind Geschäfte, Restaurants, ein Hotel und ein Konferenzsaal im Bau. Eine vierte Autospur sowie eine eigene Metrostation sind ebenfalls geplant.
Doch macht so ein Megaprojekt in einem wirtschaftlich gebeutelten Land Sinn? Nur wenige Quadratmeter weiter leben Menschen, für die sogar eine Flasche Speiseöl schwer erschwinglich geworden ist.
Verständnis für das kulturelle Erbe
Das Projekt sei noch zu besseren Zeit geplant worden, räumt Tarek Tawfik ein. Und manchmal sei es teurer, ein Projekt zu verkleinern, als es wie gehabt zu belassen.
Doch glücklicherweise hätten sich die Ägypter nie gegen das GEM gestellt: «Sowohl das Volk als auch die politische Führung sieht die Wichtigkeit dieses Projekts. Es scheint, dass tief im Inneren jedes Ägypters ein Verständnis für die Wichtigkeit dieser alten Kultur ist, und dass sie eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft Ägyptens ist.»
Ehrgeizige Ziele
Drei bis fünf Millionen Besucherinnen und Besucher werden jährlich erwartet. Dann können auch die japanischen Kredite, mit denen das GEM mehrheitlich finanziert wird, allmählich abgezahlt werden.
Ein ehrgeiziges Ziel. Um es zu erreichen, müsste Ägypten wieder massiv zulegen im Tourismussektor. Das Land hofft nun auf ein Ende des Terrors. Und auf ein neues Kulturwunder.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 5.12.2017, 17:15 Uhr.