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Männer tragen einen Sarg
Legende: Ökologisch Denken bis zum Tod: Mit alternativen Bestattungsformen geht das. Getty Images

Grüne Bestattung Ökologisch – auch nach dem Tod

Der Umweltschutz erreicht die letzte Ruhe: Eine Forscherin will menschliche Überreste kompostieren. Geht das in der Schweiz?

Was von uns übrig bleibt, ist nicht appetitlich. Menschliche Überreste sind hochgradig tabuisiert. Da ist die Sorge um die Würde der Verstorbenen, aber da sind auch der Ekel, die Scham und das grosses Geheimnis am Lebensende.

Ein toter menschlicher Körper besteht hauptsächlich aus Flüssigkeit – aber auch aus Weichteilen, Knochen, Knorpeln und Zähnen. Immer häufiger finden sich zudem metallene Implantate und Rückstände von Medikamenten im Körper.

Der Erde zurückgegeben

Gemäss religiöser und kultureller Tradition werden Verstorbene entweder in einem Sarg oder nach Kremation in einer Urne auf dem Friedhof beigesetzt – «der Erde zurückgegeben», doch das dauert.

Die Kremation wiederum benötigt fossile Energie zur Verbrennung und zur Filterung der Schadstoffe, die dabei entstehen. Ausserdem fällt bei der Verbrennung Kohlendioxid an. Kremationen machen in der Schweiz die überwiegende Mehrheit der Bestattungen aus – in Zürich sind es 90 Prozent.

Ökologisch bestattet

Ein überraschendes Argument bringt die schwedische Biologin Susanne Wiigh-Mäsak ins Gespräch: die Kompostierbarkeit von toten Körpern. Sie hat ein spezielles Verfahren entwickelt.

Bei dieser Bestattungsform geht es darum, menschliche Überreste rasch und ökologisch verträglich in den organischen Kreislauf zurückzuführen. Der Leichnam wird schockgefroren bis er brüchig ist, und dann durch Vibration in grobe Teile zerlegt.

Nur Schweine als Test

Diese Teile müssen entwässert und von Metallteilen und anderen Fremdkörpern gesäubert werden. Übrig bleibt ein organisches Granulat. Dieses kann in einer kompostierbaren Kiste begraben werden. Wiigh-Mäsak arbeitet seit Jahren an dem Verfahren.

Sie ist überzeugt, dass ihre Methode besonders umweltschonend ist, und hat sie «Promession» getauft und patentiert. Aber: Die Methode wurde noch nie an menschlichen Körpern angewendet. Einzig tote Schweine sind bisher versuchsweise schockgefroren worden.

Grüner sterben

Wie können Bestattungen ökologisch verträglich gestaltet werden? Rolf Steinmann ist der Leiter des Bestattungsamtes der Stadt Zürich. Er sagt: «Auch das Bestattungswesen will und muss einen Beitrag zur 2000-Watt-Gesellschaft leisten.»

Das reiche vom Material der Urnen über die Verwendung von Öko-Strom bis hin zum Sargholz aus rasch nachwachsenden Baumarten.

Steinmann beobachtet die neuen Methoden mit viel Interesse: «‹Promession› ist eine gute Idee – in der Schweiz ist sie aber noch nicht spruchreif. Ich sehe Fragezeichen bei der Finanzierung dieser Methode.»

Wissenschaftliche Bestätigung

Ökologische Bestattungsformen sind ein grosses Thema der Zukunft, findet auch Christine Süssmann, Leiterin des Friedhof-Forums in Zürich, wo Wiigh-Mäsak mit einem Vortrag über die «Promession» auf dem Programm stand. Süssmann sagt: «Wiigh-Mäsaks Ansatz ist interessant. Die Biologin ist eine wichtige Pionierin.»

Süssmann versteht nicht, warum die Methode noch nicht durch eine unabhängige wissenschaftliche Institution geprüft worden ist. Ohne eine solche Beglaubigung hält sie es für unwahrscheinlich, dass sich Bestattungsämter ernsthaft für eine solche Anlage interessieren.

Verstorbener als Diamant

Alternative Bestattungsformen wie Wald-, Luft- und Seebestattungen werden immer beliebter.

Ein besonders unkonventionelles Verfahren entwickelte eine Schweizer Firma: Sie bietet die Herstellung von sogenannten Erinnerungsdiamanten an.

Aus der Kremationsasche gewonnener Kohlestoff lässt sich zu synthetischen Diamanten pressen. Bis zu vier kleinere «Familiendiamanten» des Verstorbenen können so hergestellt werden. Schliffe und Formen sind frei kombinierbar. So können Angehörige den geliebten Menschen mit sich tragen.

Für Rolf Steinmann, Leiter des Zürcher Bestattungsamts, sind das Nischenangebote. Er möchte aber Menschen nicht von Amtes wegen vorschreiben, wie sie zu trauern haben. So individuell wie die Menschen leben, so individuell seien ihre Bedürfnisse nach dem Tod und in der Trauer.

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