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Gesellschaft & Religion Hans Küng: «Ich lebe auf Abruf»

Hans Küng hat sein drittes und letztes autobiographisches Buch veröffentlicht. Der weltberühmte Schweizer Theologe resümiert darin sein Leben und Werk. Für Aufsehen sorgt vor allem sein Schlusskapitel «Am Abend des Lebens». Darin denkt der 85-Jährige offen über einen selbstbestimmten Tod nach.

Im Januar 2008 war Schluss mit dem Skifahren. Kurz vor seinem 80. Geburtstag kam Hans Küng zur Erkenntnis, dass nun ein Ende sein müsse mit Parallelschwung und kühner Abfahrt. Danach begannen sich die Altersbeschwerden des Professors zu häufen. Das Kreuz tat weh, das Reisen wurde schwieriger, die Hände schmerzten.

Buchhinweis

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Hans Küng: «Erlebte Menschlichkeit. Erinnerungen.» Piper-Verlag, 2013.

Vor einem Jahr kam die beginnende Parkinson-Krankheit hinzu. Nach einem Hörsturz fiel das rechte Ohr weitgehend aus. Eine altersbedingte Makula-Degeneration sorgte dafür, dass die Sehkraft immer schlechter wurde und der Schriftgelehrte bald nicht mehr sehen konnte.

Vorboten des Todes

«Ich lebe auf Abruf», konstatiert der einst so energische Kirchenkritiker Hans Küng im dritten Teil seiner Memoiren. Die zunehmenden Gebrechen seien «Vorboten des Todes». Noch kämpft er gegen sie an mit Medikamenten und physischen Übungen. Auch mit 85 möchte Hans Küng noch weitgehend selbstbestimmt sein. Dazu gehört für ihn auch der selbstbestimmte Tod.

Über das menschenwürdige Sterben, ein Sterben in Selbstverantwortung, hatte sich Küng schon in den 1990er-Jahren intensive Gedanken gemacht. Damals hielt er mit seinem Tübinger Nachbarn und Freund Walter Jens zusammen eine entsprechende Vortragsreihe. In diesem Sommer hat Küng miterleben müssen wie sein Freund, der grosse Rhetoriker, nach langer, schwerer Demenz starb.

«Ich will nicht als Schatten meiner selbst weiter existieren», schreibt Küng. Er denkt darüber nach, eventuell auch mit Hilfe einer Sterbehilfeorganisation aus dem Leben zu scheiden, wenn er keine Hoffnung mehr sieht auf ein humanes Weiterleben. Es gebe ein Recht auf ein Weiterleben, aber keine Pflicht dazu, stellt Küng klar. Er wolle sein Leben nicht verenden, er wolle es vollenden.

Küng beschreibt sich als lebenssatt

Auf 600 Seiten beschreibt Hans Küng seinen Kampf als Kirchenkritiker und Begründer der Stiftung Weltethos. Küng wurde im Laufe dieses Kampfes zu einem der weltweit wichtigsten Vorkämpfer eines reformorientierten Katholizismus. Nun ist er – er nennt es nicht lebensmüde, er nennt es lebenssatt.

Sein öffentliches Nachdenken über einen selbstbestimmten Tod könnte eine letzte grosse Rebellion gegen die katholische Amtskirche sein, die dieses grundlegend ablehnt. Der sehr fromme Theologe Hans Küng aber schreibt, dass nirgendwo in der Bibel stünde, der Mensch habe bis zu einem verfügten Ende durchzuhalten. Stattdessen glaubt er fest an ein Leben nach dem Tod.

Hans Küng ist nicht nur unbeirrbar, er ist auch Perfektionist. Sein Grab auf dem Tübinger Stadtfriedhof ist schon ausgesucht. Es liegt direkt neben seinem früheren Wohnungsnachbarn Walter Jens.

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