Zum Inhalt springen

Hitler-Attentat vor 75 Jahren Für Stauffenbergs Attentat auf den Führer büsste auch die Familie

Nach dem Anschlag ihres Ehemannes auf Hitler rächte sich das Regime auch an Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg. Davon erzählt ihre Tochter.

Als Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg vom Attentat auf Hitler erfuhr, befand sie sich auf dem Familiensitz der Adelsfamilie, im idyllischen Lautlingen in Baden-Württemberg.

Sie wusste bereits, dass ihr Mann Teil des Widerstands war – aber nicht, dass er selbst die Bombe zünden würde.

Das Hitler-Attentat

«Am Morgen des 21. Juli kam die Schwiegermutter ans Bett meiner Mutter», erzählt Konstanze von Schulthess, die ein Buch über ihre Mutter Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg geschrieben hat. «Sie erzählte ihr, dass mein Vater das Attentat durchgeführt hatte. Und dass er bereits hingerichtet worden sei.»

Familie in Sippenhaft

Zu diesem Zeitpunkt war schon klar, dass Hitler überlebt hatte. Im Radio hatte er angekündigt, die Verschwörer «erbarmungslos auszurotten». Heinrich Himmler, der sogenannte Reichsführer SS, erklärte später, die Familie Stauffenberg werde «ausgelöscht bis ins letzte Glied».

Buchhinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Konstanze von Schulthess: «Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg. Ein Porträt». Pendo Verlag, 2008.

Das NS-Regime übte Rache an den Familien der Widerstandskämpfer. Berthold, der Bruder des Attentäters, sowie ein Cousin wurden umgebracht, weil sie beide unmittelbar am versuchten Staatsstreich beteiligt gewesen waren.

Historisches Foto: Eine junge Frau und ein junger Mann posieren lachend nebeneinander. Er trägt eine Soldatenuniform.
Legende: Das Ehepaar Stauffenberg 1933, dem Jahr ihrer Hochzeit – und der Machtergreifung Hitlers. Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Viele Familienmitglieder gerieten in die sogenannte Sippenhaft. Nina von Stauffenberg wusste, dass auch sie verhaftet werden würde. Sie rief in Lautlingen ihre beiden ältesten Söhne zu sich und erklärte, ihr Vater sei hingerichtet worden, er habe das Attentat selbst ausgeführt.

«Sie eröffnete ihren Söhnen zur gleichen Zeit, dass sie ein Baby erwartete – nämlich mich. Es muss ein sehr schwieriger Moment gewesen sein», sagt Konstanze von Schulthess.

Sorge um die Kinder

In der Nacht auf den 23. Juli fand die berüchtigte «Geheime Staatspolizei», die Gestapo, Nina Stauffenberg in Lautlingen. Sie kam ins Gefängnis, dann für fünf Monate ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, wo sie verhört wurde.

Sie fürchtete um ihr Leben und verfasste ein Testament, aus dem die Sorge um ihre vier Kinder spricht. Erst nach vielen quälenden Wochen erfuhr sie, dass diese in ein Kinderheim in Niedersachsen gebracht worden waren.

Eine Odyssee durch Deutschland

«Ich glaube, dass ihr das ungeborene Kind die Kraft gab, das durchzustehen», sagt Konstanze von Schulthess über ihre Mutter. Am 27. Januar 1945 brachte diese sie in Frankfurt an der Oder zur Welt – immer noch in Gefangenschaft.

Der Krieg näherte sich seinem Ende. Für Nina von Stauffenberg begann eine Odyssee durch Deutschland. In Oberfranken überliess ihr Bewacher Nina Stauffenberg ihrem Schicksal.

Eine Frau vor dem Gemälde einer Mutter und ihres Sohnes.
Legende: Konstanze von Schulthess vor dem Bild ihrer Grossmutter Karoline von Stauffenberg und deren Sohn Claus. Karoline nahm Nina von Stauffenberg mit ihren fünf Kindern nach dem Krieg auf. SRF / Claudia Herzog

Während sich rundherum das Dritte Reich auflöste, fand sie Unterschlupf bei Fremden und wartete auf das Kriegsende. Erst im Juni schaffte sie es zurück nach Lautlingen und schloss, nach fast einem Jahr, ihre Kinder in die Arme.

Kampf um Anerkennung

Nina von Stauffenberg ist kein Einzelfall. Die Familien der Widerstandskämpfer zahlten einen hohen Preis für den Attentatsversuch vom 20. Juli, bis weit in die Nachkriegszeit hinein.

«In den Fünfzigerjahren galten die Verschwörer des 20. Juli vielen noch als Verräter, die Kinder wurden als Verräterkinder bezeichnet», erklärt Johannes Tuchel, der in Berlin die Stiftung «Gedenkstätte Deutscher Widerstand» leitet.

Auch habe sich die Bundesrepublik nicht durchringen können, die Witwen und Waisen des 20. Juli in eine finanzielle Entschädigungsregelung einzubinden. Die Witwen standen deshalb vor dem materiellen Nichts, auch noch nach dem Krieg.

Ein Porträt steht auf einem Sessel.
Legende: Ein Porträt von Nina von Stauffenberg, 1996. Ihre Mutter habe nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr geheiratet, erzählt Konstanze von Schulthess. SRF / Claudia Herzog

Heruntergespielte Rolle der Ehefrauen

In einer Umfrage des Magazins «Der Spiegel» 2004 liess sich zum ersten Mal feststellen, dass eine Mehrheit in der BRD die Widerstandskämpfer des 20. Juli positiv bewertete.

Dass auch die Ehefrauen eine Rolle spielten, blieb hingegen lange unbeachtet. Viele wussten um die Verschwörung ihrer Männer und unterstützten sie: etwa indem sie Pläne mitdiskutierten, Treffen organisierten oder Nachrichten überbrachten.

«Im Widerstand waren alles junge Männer, die meisten davon Familienväter. Ohne den Rückhalt ihrer Frauen wäre es psychisch unmöglich gewesen, das durchzuziehen», sagt Konstanze von Schulthess. Auch ihre Mutter wusste von den Plänen ihres Vaters und unterstützte ihn aktiv.

Ein Zeichen für mehr Anerkennung

Man habe den Anteil der Ehefrauen am Widerstand gegen den Nationalsozialismus lange nicht anerkannt, sagt Johannes Tuchel. Auch weil sie in der Sippenhaft ihre Rolle hätten herunterspielen müssen.

Jetzt, zum 75. Jahrestag, sei ein wichtiges Zeichen gesetzt worden: Der Deutsche Bundestag hat – mit den Stimmen aller Fraktionen und der Enthaltung der AfD – beschlossen, den Widerstand der Frauen stärker zu würdigen als bisher.

Meistgelesene Artikel