Keine andere Grossagglomeration in den USA eignet sich besser für das Austesten neuer Transportmöglichkeiten für Pendler als San Francisco. Das öffentliche Verkehrssystem ist mit seinem unkoordinierten Mischmasch von Bussen, Strassenbahnen und Vorortszügen völlig unberechenbar, so wie es auch die Taxis sind. Weil der öffentliche Verkehr der komplizierten Verkehrslage nicht Herr werden kann, liegt die Pendler-Zukunft in San Francisco im Individualverkehr. Hightechfirmen wie Google sind Pioniere, die für mehr Effizienz im Autoverkehr sorgen wollen.
Google hat dieses Jahr ein funktionsfähiges Auto vorgestellt, das völlig autonom mit Hilfe von GPS, Laser und Sensoren fahren kann. Die ersten 100 bis 200 Prototypen sollen nächstes Jahr in Umlauf gebracht werden. Google und andere Hersteller wie Tesla glauben, ab 2020 bis zu 40 Prozent des Pendlerverkehrs mit solchen «Selbstfahr-Autos» bewältigen zu können.
Sie versprechen eine bessere Auslastung der Strassen, da die Fahrzeuge automatisch die optimale Geschwindigkeit fahren. Auch soll es weniger Unfälle geben, da diese fahrenden Supercomputer mit automatischen Warn- und Bremssystemen versehen sind. Weniger Staus, weniger Unfälle, weniger Stress – so die utopisch erscheinende Zukunft der Pendler.
Der kalifornische Standortvorteil
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Selbst wenn sich diese Pläne realisieren lassen sollten, so stehen zwei Fragen völlig ungelöst im Raum: Wer übernimmt die Verantwortung für Sach- und Personenschäden? Und sollen solche fahrerlose Autos überhaupt auf öffentlichen Strassen zugelassen werden? Kalifornien hat es sich leicht gemacht, was wohl auch die forschen Projekte durch Google und Tesla erklärt. Der Bundesstaat ist stolz auf seine Vorreiterrolle und zeigt gerne dem Rest des Landes, wo es langgeht. Kalifornien hat die Zulassung für solche Wagen bereits erteilt, so wie dies auch der Nachbarstaat Nevada getan hat.
Europa und die Schweiz tun sich da schwerer. Die politischen, klimatischen und technischen Umstände sind hier eben nicht so optimal gegeben wie im Grossraum San Francisco. Zudem hat Google vorsorglich auch die rechtliche Verantwortung bei einem Unfall oder Verstoss gegen die Verkehrsordnung auf sich genommen. Solange es sich nur um ein limitiertes Experiment auf 3600 Kilometern handelt wie bis anhin, erscheint diese Regelung machbar. Wenn aber «Autopiloten» einmal das ganze US-Strassennetz befahren, wird die Frage der Verantwortung kaum mehr so leichthin beantwortet werden.
Entscheid gegen die neue Naivität
Die Suche nach einer neuen Verantwortlichkeit im Verkehr hat diese Woche bereit zu einem wegweisenden Entscheid geführt. Eine Senatskommission in Kalifornien entschied, das taxi-ähnliche Transportanbieter wie Uber und Lyft nicht so tun können, als ob ihre Fahrer nur als Privatpersonen unterwegs seien und deshalb keine strikte Haftpflicht bestehe. Geklagt hatte eine Familie, deren 6-jährige Tochter von einem Uber-Fahrer getötet worden war. Die Firma lehnte jede Verantwortung ab und verwies darauf, lediglich eine mobile Applikation zum Zweck der Passagiervermittlung zu betreiben.
Uber bezeichnet den Entscheid zugunsten einer Versicherungspflicht, wie sie bei Taxis gilt, als «enttäuschenden Rückschlag für die Bewegung des Autoteilens in Kalifornien». Doch kann der Entscheid ebenso sehr als Sieg des gesunden Menschenverstands über eine allzu naive Technologiegläubigkeit gesehen werden, an der viele Techkonzerne – von Google bis Lyft – leiden.