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Holocaust-Gedenkstätte «Es ist wichtig, dass ein Mahnmal nicht einfach hingestellt wird»

Wer schon einmal in Berlin war, dürfte das Holocaust-Mahnmal kennen, das in der Nähe des Brandenburger Tors an die von den Nazis ermordeten Jüdinnen und Juden erinnert.

Nun soll auch die Schweiz ein solches Mahnmal entstehen. Der Bundesrat hat dafür am 2,5 Millionen Franken gesprochen. Parallel zum Berner Mahnmal soll im Kanton St. Gallen ein grenzüberschreitender Vermittlungs- und Vernetzungsort eingerichtet werden.

Der Historiker Erik Petry hat am Konzept für diese Gedenkstätte mitgearbeitet. Im Gespräch erklärt er die Idee dahinter.

Erik Petry

Historiker

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Erik Petry ist Professor am Zentrum für Jüdische Studien an der Universität Basel und forscht unter anderem über Gedächtnisgeschichte und Antisemitismus.

Foto: Universität Basel/Bruno Biermann

SRF: In Deutschland gibt es bereits länger Holocaust-Mahnmale. Welche Erfahrungen hat man bisher damit gemacht?

Erik Petry: Nach langen Diskussionen hat man 2005 in Berlin das grosse Mahnmal eröffnet und als zentralen Gedenkort definiert. Es soll ein Ort sein, an den man geht, um zu gedenken, aber auch, um sich weiterzubilden. Denn damit ist auch eine Bildungsstätte verbunden. Aus meiner Sicht hat man damit in Deutschland gute Erfahrungen gemacht.

Die Ermahnung liegt darin, nicht zu vergessen.

Wirkt die Ermahnung, die im Wort Mahnmal enthalten ist?

Ob man einen solchen Ort Mahnmal, Denkmal oder Memorial nennt, finde ich nicht so entscheidend. Entscheidend ist: Es handelt sich um eine Erinnerung, die nicht vergessen gehen soll. In der Schweiz, aber auch in ganz Europa. Darin liegt wohl die Ermahnung: nicht zu vergessen.

Wessen soll man in der Schweiz gedenken: Der über 200 Schweizerinnen und Schweizer, die in Konzentrationslagern umgekommen sind? Der Holocaustopfer allgemein? Oder soll man an die Schweizer Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg erinnern?

Diese Fragen haben wir in der Steuerungsgruppe, die über zwei Jahre daran gearbeitet hat, intensiv diskutiert. Wir sind der Meinung, dass das Mahnmal kein ausschliessender Ort sein kann. Man kann nicht einer Gruppe gedenken und einer anderen nicht.

Die Schweizer Opfer sind erst in den letzten Jahren ins Zentrum gerückt.

Gerade die Schweizer Opfer in KZ sind eine wichtige Gruppe, die erst in den letzten Jahren ins Zentrum der Forschung gerückt ist. Neben der Opfer des Nationalsozialismus soll man auch derer gedenken, die den Opfern geholfen haben. Also der Menschen, die Widerstand geleistet haben – auch in der Schweiz.

Mahnmale werden auch kritisch diskutiert. Manche befürchten, das Gedenken könne sich zu einem etwas sinnentleerten Ritual entwickeln, dem sich viele fern fühlen.

Die Gefahr, dass das Gedenken zum sinnentleerten Ritual wird, kennen wir sehr gut. Deswegen ist es sehr wichtig, dass so ein Mahnmal nicht einfach hingestellt wird. Wir müssen darauf achten, dass der Ort bespielt und mit modernen Bildungstechnologien immer wieder verändert wird.

Man muss sich bewusst sein: Heute sprechen wir Schülerinnen und Schüler nicht mehr gleich an wie vor 10 oder 30 Jahren. Wir müssen den Zugang also den jeweiligen Zeitgegebenheiten anpassen.

Welche Bedeutung hat es international gesehen, wenn sich die Schweiz nun offiziell dem Gedenken an die Shoah anschliesst?

Aus deutscher und vielleicht sogar aus gesamteuropäischer Sicht wird das als wichtiges Ereignis wahrgenommen. Schliesslich hat die Schweiz in den letzten 30 Jahren eine sehr intensive Debatte über die eigene Rolle in der Zeit des Zweiten Weltkriegs und der Shoah geführt.

Die Zivilgesellschaft ist bereit, Verantwortung zu übernehmen.

Es ist ein ganz wichtiger Schritt, dass die Schweiz das Thema nicht mehr nur wissenschaftlich aufarbeitet, sondern über ein solches Mahnmal in die Öffentlichkeit bringt. Das zeigt für mich: Die Zivilgesellschaft ist hier bereit, Verantwortung zu übernehmen.

 Das Gespräch führte Raphael Zehnder.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 27.04.2023, 17:40 Uhr ; 

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