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Porträt von Papst Paul VI.
Legende: Sein Pillenverbot hat ihm den spöttischen Namen «Pillen-Paule» eingebracht: Papst Paul VI.. Getty Images

«Humanae Vitae» Verhütungs-Verbot vom «Pillen-Paule»

Vor 50 Jahren verschickte Papst Paul VI. sein päpstliches Lehrschreiben «Humanae Vitae», besser bekannt als «Pillen-Enzyklika».

1968 war die Anti-Baby-Pille schon ein paar Jahre auf dem Markt. Sie beunruhigte den Papst. Er befürchtete Sittenverfall und Missbrauch von Frauen. So verfasste er ein verbindliches Lehrschreiben mit dem Titel: «Über die rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens».

Mehr Schaden als Nutzen

Darin ging es um Sex. Denn den hielt der Papst einzig in der Ehe und mit offenem Ausgang, sprich möglicher Schwangerschaft, für legitim. Selbst Kirchenhistoriker und Theologinnen sagen, dass dieses Lehrschreiben der Kirche wohl mehr geschadet als genutzt hat.

Nicht zuletzt wurde die Enzyklika «Humanae Vitae» sogleich zum Einfallstor für Polemik. So kennt man sie bis heute nur als «Pillenenzyklika» und Papst Paul VI als «Pillen-Paule».

Sex nur in der Ehe

Nach römisch-katholischer Lehrmeinung gilt Verhütungsverbot mit kleinen Ausnahmen bis heute: Sexualität gehöre in die Ehe zwischen Mann und Frau und müsse fruchtbar werden können.

Aber tatsächlich erreichte Rom in weiten Teilen der Welt genau das Gegenteil: Die Kirche verlor und zwar an Relevanz für das persönliche Leben.

Ungehorsam im Schlafgemach

Von einer «freundlichen Nichtbeachtung der kirchlichen Lehre» sprechen Theologen wie Eberhard Schockenhoff heutzutage in der Schweizerischen Kirchenzeitung . Katholikinnen und Katholiken machen Sex, wie sie ihn für richtig halten und berufen sich dabei auf ihr eigenes Gewissen. So praktizieren heute zum Beispiel 96 Prozent der US-Amerikanischen Katholikinnen Geburtenkontrolle .

Dafür hatte der Papst sogar ein Hintertürchen gelassen. Er gestand den Gläubigen wörtlich eine «von der kirchlichen Lehrmeinung abweichende Gewissensentscheidung» zu.

Flucht durch die Hintertür

Darauf pochten nun auch ganz viele Bischofskonferenzen, die nämlich mehrheitlich gegen das Pillen- und Kondomverbot waren, so auch die Schweizer Bischöfe. Der Nachteil der Hintertüre namens Gewissen war: Viele verliessen die Kirche auch durch dieselbe.

Gebildete Menschen in den Industriegesellschaften konnten den Papst einfach nicht mehr ernst nehmen. Auch sein Argument, die Frauen vor triebgesteuerten Männern doch nur schützen zu wollen, verfing nicht bei emanzipierten Frauen.

Zerreissprobe wegen Kondomen

Sie empfinden das als paternalistisch und übergriffig. Ausserdem ignoriere das kirchliche Lehrschreiben die Existenz weiblicher Lust und reduziere Frauen auf ihre Mutterrolle. So wurde Papst Paul der Sechste rasch als «Pillen-Paule» karikiert.

Im Innern der Kirche aber führt «Humane Vitae» bis heute zu Zerreissproben. Etwa wenn Ordensfrauen Kondome gegen HIV-Aids verteilen und dafür einen Rüffel aus Rom bekommen. Dabei wollten sie Menschenleben retten, sagen sie, und darum ginge es doch.

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