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Hunsperger Ruedi Der widerspenstige König

Am 18. August 2018 starb Ruedi Hunsperger, einer der erfolgreichsten, sicher aber der populärste Schwinger der Schweiz. Dreimal konnte er sich zum eidgenössischen Schwingerkönig krönen lassen.

«Ich wollte eigentlich gar nicht schwingen. Lieber hätte ich Handball gespielt oder geboxt», erzählte Ruedi Hunsperger einmal. Aber im kleinen Bauerndorf Habstetten vor den Toren Berns machte ein junger Mann damals noch, was das Umfeld von ihm verlangte.

Widerwillig stieg der kräftige 15-Jährige deshalb zweimal in der Woche in den Schwingkeller. Nach ein paar Monaten gewann er die ersten Kämpfe und versöhnte sich mit dem Schwingsport.

Ohne Tracht keinen Preis

Bereits drei Jahre später gewann er als jüngster Sieger auf dem Brünig. Beinahe hätte er den Siegerpreis nicht abholen können. Dafür musste er einen «Kühermutz» tragen – die Berner Männertracht.

Doch Hunsperger besass keine, ein Bekannter musste ihm aushelfen. Aus dem Berner Giel wurde ein «Böser», ein «ganz Böser». So werden im Schwingerlatein liebevoll die erfolgreichsten Athleten bezeichnet.

Der Rekrut wird König

1966 beim Eidgenössischen in Frauenfeld war Ruedi Hunsperger der grosse Berner Hoffnungsträger. 25 Jahre lang hatte kein Berner mehr das Eidgenössische gewonnen.

Der Druck auf den 20-Jährigen war gewaltig. Zudem steckte er in diesen Wochen in der RS und trat sicher nicht optimal vorbereitet an. Im Schlussgang bodigte er den Favoriten Karl Meli.

Die Freude bei den Bernern war überschwänglich. Es war, so Hunsperger, als hätten sie einen Krieg gewonnen. Der Siegerpreis, ein Muneli, brachte ihm 2'500 Franken ein. Viel Geld für einen, der erst kurz vorher seine Lehre als Lastwagenmechaniker mit einem Monatslohn von 180 Franken abgeschlossen hatte.

Zwei Männer schwingen.
Legende: Bodigte seine Gegner zuverlässig: Ruedi Hunsperger 1969 am Eidgenössischen in Biel. Eugen Suter / Fritz Grunder / KEYSTONE / PHOTOPRESS-ARCHIV

Wegen seines Triumphs musste Rekrut Hunsperger nicht wie befohlen am gleichen Abend, sondern erst am Mittag zurück in die Kaserne. Zwei Kompanien seien Spalier gestanden und die hohen Herren hätten ihm gratuliert. Das sei ein ganz besonderer Moment gewesen, erinnerte er sich später.

Aus Anstand nicht angetreten

1969 gewann Hunsperger den Titel in Biel, 1972 in La Chaux-de-Fonds war er der grosse Favorit. Doch wenige Tage vor dem Wettkampf starb sein Vater.

Hunsperger verzichtete auf einen Start, obwohl ihn sein Vater kurz vor dem Tod dazu ermutigte. Er sei zwar nicht gläubig, aber anständig und bereue seinen Entscheid von damals nicht, erklärte er noch 40 Jahre später.

Umso mehr als er 1974 in Schwyz gegen seinen Freund Fritz Uhlmann erneut im Schlussgang des Eidgenössischen war. Trotz Freundschaft: Hunsperger drückte seinen Clubkollegen zu Boden. Es war sein letzter Kampf. Mit 28 Jahren erklärte er bereits seinen Rücktritt.

Während seiner Karriere hielt er nicht mit seiner Meinung zurück und provozierte das verknöcherte Schwinger-Establishment. Das tat seiner Beliebtheit keinen Abbruch. Im Gegenteil.

Kampf gegen Bären

Hunspergers Popularität war in den 1970er-Jahren vergleichbar mit derjenigen von Bernhard Russi. Er war überall ein gern gesehener Gast, wagte als erster Schwinger das Werbeverbot zu übergehen und spielte nach seiner Karriere unter anderem als Statist in einem Kinofilm mit («Der Richter und sein Henker», 1975).

Ein Schwinger in Jubelpose.
Legende: Schwingerkönig zum Dritten: Hunsperger 1974 am Eidgenössischen in Schwyz. Keystone

Ausserdem kämpfte er für die Sporthilfe gegen einen japanischen Ringer und gegen einen Bären – ganz zum Missfallen der Verbandsoberen. Er habe die Würde eines Königs verletzt, teilten diese ihm mit. Ein Konflikt, der sich erst Jahre später auflöste.

Stur, aber liebenswert

Unbeirrbar ging er seinen Weg – im Sport wie im Privaten. Der gutmütige und sensible Hunsperger musste ausserhalb des Sägemehlrings einige Niederlagen einstecken.

Zwei Scheidungen, Misserfolge im Geschäftsleben, einen Konkurs, dazu kam noch ein schwerer Schicksalsschlag: Ein ärztlicher Kunstfehler kostete ihn im Juli 2000 fast das Leben. Eine infizierte Spritze führte zu einer schweren Blutvergiftung, von der er sich nie mehr ganz erholte.

Ein Mann liegt in einer Wiese.
Legende: Einer der populärsten Schwinger – der es mit Regeln nicht so genau nahm: Ruedi Hunsperger 1974. Eugen Suter / Fritz Grunder / KEYSTONE / PHOTOPRESS-ARCHIV

Nach einem Schlaganfall sah der 72-Jährige keinen Sinn mehr im Leben und nahm im Beisein seiner zwei Kinder die Dienste von «Exit» in Anspruch. «Mein Vater freute sich auf die Erlösung und hat noch einmal herzlich gelacht», so erzählt Sohn Remo gegenüber dem «Blick».

Typisch für den wohl grössten Schwinger aller Zeiten. Mit Hunsperger verlor die Schwingerwelt einen ganz Bösen, der zwar konsequent, teilweise auch stur, aber immer liebenswert blieb.

Sendebezug: Laufende Berichterstattung von SRF Sport zum ESAF 2019

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