Die direkte Demokratie ist ja zwischenzeitlich immer wieder in Frage gestellt worden, zuletzt vom deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Er sagte bei seinem Besuch in der Schweiz: «Die direkte Demokratie kann Gefahren bergen, wenn die Bürger über hochkomplexe Themen abstimmen.» Möglicherweise hat er das Demokratie-Prinzip nicht verstanden?
Ich glaube, er will es auch gar nicht verstehen. Herr Gauck ist ein Politiker, der von Politikern gewählt wurde. Als Politiker würde ich, im Sinne von Machterhalt, auch so argumentieren. Wer darf sich anmassen festzulegen, was «hochkomplex» ist und was nicht? Die direkte Demokratie ist ein Kontrollinstrument gegen Politiker, und das gefällt vielen nicht. Sie verlangsamt die Abläufe und verlangt Erklärungen von der Politik. Ich würde sagen: Gerade bei «hochkomplexen» Fragen sind Volksabstimmungen wichtig. AHV, Zuwanderung, Raumplanung oder Steuern gehen doch alle etwas an.
Warum ist die direkte Demokratie ein wichtiges Kulturgut?
Sie ist nicht nur ein wichtiges Kulturgut, sondern auch eine pragmatische und zielorientierte Form den Staat zu organisieren. Diese Form hat eine traditionelle, aber auch sehr moderne Seite. Das sieht man auch anhand des Demokratie-Experimentes, welches SRF Kultur nun durchführt. Glücklicherweise kann man die gegenwärtige direkte Demokratie in der Schweiz nicht ohne eine Änderung der Verfassung reformieren. Und einer solchen Änderung müsste das Volk zustimmen. Gegen den Willen des Volkes können die Politiker die direkte Demokratie also nicht einschränken.
Trotzdem gibt es in der Generation von Pony M. unzählige Abstimmungsmuffel. Was sind die Gründe?
Ich glaube, die Jungen sind einfach in einer anderen Lebensphase. Da steht natürlich eine Abstimmung, die sie auch wirtschaftlich weniger stark trifft, noch nicht so sehr im Vordergrund. Das ändert sich aber, sobald sie mehr betroffen sind, eigene Kinder haben und auch im sozialen Leben stärker integriert sind. Ausserdem lässt sich feststellen, dass die Jungen durchaus selektiv an Abstimmungen teilnehmen. Dies ist alles aber auch gar nicht besorgniserregend. Wichtig ist, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, über Sachfragen in Volksabstimmungen zu entscheiden. Wer will, kann sich beteiligen. Früher oder später werden dies fast alle tun. Auf die Stimmbeteiligung im Einzelfall kommt es nicht so sehr an.
Würden sich mehr Junge an Abstimmungen beteiligen, wenn es die Möglichkeit gäbe, das per Internet zu tun?
Sicherlich wären die Jungen das Haupt-Zielpublikum von Internetabstimmungen (E-Voting). Ich würde allerdings davor warnen, nur um der Beteiligung willen das bewährte Verfahren abzukürzen. Es braucht immer einen genügenden zeitlichen Vorlauf und seriöse Informationen für die Stimmberechtigten. Auch sollte man die Menschen nicht vergessen, die an der Urne oder brieflich abstimmen möchten.
Was schätzen sie, wie lange wird es noch dauern bis wir online abstimmen?
Ich würde mal prognostizieren, dass bis zum Jahr 2020 alle online abstimmen können.
Glauben Sie, dass sich durch das E-Voting insgesamt mehr Menschen an Abstimmungen beteiligen?
Es wird eine gewisse Erhöhung geben. Alle Prognosen gehen aber davon aus, dass diese Erhöhung nicht markant sein wird. Man muss klar sehen: Die Hürde mit der brieflichen Abstimmung ist nicht so hoch, dass diese unglaublich viele Leute abschrecken würde.