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Gesellschaft & Religion «Ich würde das Urheberrecht auf Social Media aufheben»

Wer auf Social Media aktiv ist, kommuniziert auch mit Bildern. Oft unterliegen fremde Bilder dem Urheberrecht. Wer sie postet, macht sich eigentlich strafbar. Was kann man dagegen tun? Ein deutscher Wissenschaftler schlägt eine radikale Lösung vor: das Urheberrecht auf Facebook und Co. aufheben.

Weltweit werden täglich mehr als zwei Milliarden Fotos auf Facebook, Twitter, Instagram, Flickr oder Snapchat hochgeladen. Und es werden immer mehr.

Wir posten Selfies und andere selbst aufgenommene Bilder, aber auch täglich Fotos, die jemand anderes gemacht hat. Das heisst, wir selber sind nicht die Urheber. Rechtlich gesehen machen wir uns somit strafbar.

Bilder sind Kommunikation

Laut Urheberrecht müsste man zuerst den Urheber anfragen, ob man sein Bild posten oder retweeten darf. Im Alltag macht das niemand. Es wäre zu aufwändig und würde die Schnelligkeit und Direktheit der Kommunikation auf Social Media erheblich stören.

Der Umgang mit Bildern, Videos, aber auch akustischen Inhalten hat sich in den vergangenen Jahren durch Social Media radikal verändert. «Bilder sind Kommunikation», sagt der deutsche Kunst- und Medienwissenschaftler Wolfgang Ullrich aus München. Sie seien heute gleichbedeutend wie die Sprache. Mit einem Foto drücke jemand aus, was ihn emotional beschäftige oder an welchem Ort jemand sich befinde. «Mit Bildern kann man jemanden überraschen, eine Freude oder eine Anspielung machen oder mit einem Thema ironisch umgehen.»

Urheberrecht abschaffen

Es sei heute alltäglich, mit rechtlich geschützten Werken zu kommunizieren. Für Ullrich ist das Urheberrecht auf sozialen Medien deshalb nicht mehr zeitgemäss. Der Umgang mit geschützten Werken müsse der Realität angepasst werden. Sein Lösungsvorschlag: «Für Social Media würde ich das Urheberrecht vollständig aufheben. Und zwar, weil es nicht darum geht, ein Bild als ein Werk zu behandeln, sondern als Medium der Kommunikation.»

Noch ist ungewiss, wie mit Bildern und anderen Inhalten im Netz umgegangen werden soll. Gewiss ist, dass sich das Gesetz der digitalen Realität anpassen und verändern muss.

Für Netz- und Amateurkünstler ist das geltende Urheberrecht eine Behinderung. Sie stossen bei der kreativen Arbeit an Grenzen. Für Rechteinhaber ist das Urheberrecht aber ein Mittel, den Umgang mit ihren Werken zu kontrollieren. «Beides ist absolut legitim und beides findet parallel statt», so Ullrich.

Neue Phänomene

Für den Wissenschaftler ist vor allem die Kombination von alten und neuen Bildern historisch gesehen ein neues Phänomen. Bilder aus dem Barock, des Expressionismus oder Fotos aus den 1960er-Jahren erhalten in Kombination mit zeitgenössischen Bildern eine neue Bedeutung: «Ein historisches Bild kann plötzlich unglaublich modern, frech und frivol wirken, nur weil es neben einem zeitgenössischen Foto landet, das aus einem ganz anderen Kontext kommt.»

Wie die Rechteinhaber der verwendeten Bilder, Videos und Klänge auf die Aufhebung des Urheberrechts reagieren würden, ist unklar. Fest steht aber, dass das geltende Recht nicht mehr unserer täglichen Kommunikation entspricht.

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