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Gesellschaft & Religion «Ignaz Troxler war ein Baumeister der modernen Schweiz»

Vor 150 Jahren starb der Schweizer Philosoph Ignaz Troxler (1780-1866). Der vielseitig engagierte «Feuerkopf» war massgeblich an der Gründung des modernen Bundesstaats beteiligt. Ein zu Unrecht vergessener «Schweiz-Macher», findet der Filmemacher Christian Labhart.

SRF Kultur: Christian Labhart, Sie porträtieren in Ihrem Film den Schweizer Philosophen Ignaz Troxler. Was fasziniert Sie persönlich an ihm?

Christian Labhart: Was an Troxler auffällt, ist seine Vielseitigkeit und sein Engagement. Er war Philosoph, Arzt, Pädagoge und Politiker. In all diesen Bereichen hat er Dinge bewegt. Eine solche Universalität findet man heute kaum noch. Zudem schaffte er immer wieder Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern.

Wie muss ich mir Ignaz Troxler als Mensch vorstellen?

Zur Person

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Legende: Keystone

Christian Labhart ist ein Schweizer Filmemacher. In seinen Filmen sucht Labhart einen emotionalen Zugang zu seinen Stoffen. Zuletzt lief sein Film «Giovanni Segantini – Magie des Lichts» in den Kinos der Schweiz und Deutschlands.

In Ko-Produktion mit SRF «Sternstunden» hat Christian Labhart den Schweizer Philosophen Ignaz Troxler porträtiert.

Troxler hatte eine unbekümmerte Frechheit und war ein «Feuerkopf», wie manche sagen. Er war direkt und streitfreudig. Das brauchte Mut, gerade in einer Zeit, in der Andersdenkende Zensur oder gar Schlimmeres befürchten mussten. Troxler musste mehrmals ins Gefängnis, weil er zu frei gesprochen hatte.

Wofür hat er gekämpft?

Als Lehrer war sein Anliegen klar: Er wollte die Schülerinnen und Schüler zum freien und eigenständigen Denken erziehen, ohne harte Strafen und Disziplinarmassnahmen. In der Medizin plädierte er für ein ganzheitliches Menschenbild, das den Menschen nicht als komplexe Maschine sieht, sondern auch als geistig-seelisches Wesen.

Und in der Politik?

Als Politiker kämpfte er für mehr Demokratie, Mitbestimmung und Pressefreiheit. Der Urdemokrat Troxler glaubte an die Stimme des Volkes, auch wenn sie sich manchmal irrt. Damals war das radikal, denn ein Grossteil der Bevölkerung bestand aus Analphabeten. Von seinen freisinnigen Freunden unterschied sich Troxler durch einen expliziten Rückbezug auf die Gründungsmythen der Eidgenossenschaft von 1291. Diesen Geist des Ursprungs wollte er bewahren.

Was verdanken wir heute Troxler?

Er war einer der wichtigsten Vordenker und Baumeister der modernen Schweiz bei der Staatsgründung von 1848. Das Zweikammersystem, insbesondere der Ständerat, war mitunter seine Idee. Er kämpfte für ein Modell nach amerikanischem Vorbild.

Zeichnung von Ignaz Troxler.
Legende: Ignaz Troxlers Verhalten und Ideen passten nicht in seine Zeit. Wikimedia

Warum ist er in Vergessenheit geraten?

Ich vermute, das hat mit dem Zeitgeist des 19. Jahrhunderts zu tun. Der aufkommende Materialismus war das falsche Klima für den idealistischen Philosophen Troxler. Er lehnte ein einfaches mechanistisches Weltbild ab. Damals aber lag ein solches Denken in der Luft und es setzte sich später immer stärker durch.

Troxler jedoch sympathisierte in späten Jahren immer mehr mit einem mystisch-spirituellen Welt- und Menschenbild. Das ist wohl auch der Grund, warum sich viele Anthroposophen für Troxler interessieren.

Haben Sie ein Lieblingszitat von Troxler?

Vielleicht das folgende: «Wer die Freiheit will, muss auch den Missbrauch der Freiheit wollen. Das eventuelle Übel, das aus dem Missbrauch entstehen kann, wird nur durch Freiheit wieder gut gemacht. Jede Veränderung, jede Revolution muss zuerst im Geiste vor sich gehen, ehe sie sich verwirklicht, muss sich frei äussern können in Schrift und Presse.»

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