Halb vier Uhr morgens, der Himmel ist dunkel, die Luft feucht-schwül. Hupend und surrend bahnen sich elektrische Lastkarren ihren Weg durch Arbeiter in Gummistiefeln, gestapelte Styroporkartons und kleine Lieferwagen. Auf dem Fischmarkt Tsukiji in Tokio trifft die meiste Ware über Nacht ein. Schon am frühen Morgen ist vieles verkauft.
Der Tsukiji ist die Welt von Masaro Nozawa. Der Familienvater arbeitet für den Chef einer Auktionsfirma für Thunfisch. «Ein Auktionator hat viel mit den Zwischenhändlern für Thunfisch zu tun», erläutert er seine Arbeit. Er kaufe möglichst viel Ware ein und versuche hohe Verkaufspreise zu erzielen: «Unsere Firma erhält davon 5,5 Prozent Provision.»
Zwei Mal täglich 60 Besucher – nicht mehr
Wenn Masaro Nozawa aus dem Bürofenster schaut, sieht er den Markteingang. Dort versammeln sich ab vier Uhr früh die Touristen. Nur je 60 Besucher werden zu den zwei täglichen Versteigerungen zugelassen. Die Plätze sind meist schnell vergeben. Dann müssen sich die Besucher noch zwei Stunden gedulden, bis sie zur Auktionshalle geführt werden. Um halb sechs beginnt die erste Versteigerung. Gleissendes Neonlicht füllt die Kühlhalle. Die Besucher frösteln.
Auf Dutzenden von Holzpaletten liegt jeweils ein tiefgefrorener ausgenommener Fisch, die Haut mit weissem Raureif überzogen. Die Schwanzflosse ist abgesägt. Die Bieter dürfen mit einem Messer ein Stück gefrorenes Fleisch heraushacken und untersuchen. Der Auktionator wandert von Fisch zu Fisch und rattert Zahlen herunter. Die Bieter signalisieren mit den Fingern ihren Preis. Masaro Nozawa liebt diesen intensiven Moment von Geschäftigkeit.
Der Renner ist der Blauflossenthun
Die Thunfisch-Auktionen sind in der Hand von wenigen Firmen. Als Auktionator gehört man zu einer kleinen Verkäuferelite mit staatlicher Lizenz. «In diesem Beruf braucht man viel Hintergrundwissen und ein gutes Auge für den Fisch», sagt Nozawa.
Die Auktionen auf Tokios Fischmarkt sind berühmt: Nirgendwo auf der Welt wird so viel Thunfisch verkauft, nirgendwo werden so hohe Preise erzielt. Am begehrtesten ist der Blauflossenthun. Für einen einzelnen Fisch müssen die Käufer umgerechnet mehrere tausend Franken auf den Tisch legen. «Der erste Thunfisch im neuen Jahr bringt immer den höchsten Preis, aber das ist die Ausnahme», sagt Nozawa. Normalerweise koste ein Kilogramm gefrorener Thun umgerechnet 30 Franken.
Schauen ja, aber aus der Distanz
Die Touristen bekommen davon wenig mit. Sie dürfen nicht zu nah an die Auktion heran und beim Fotografieren kein Blitzlicht benutzen, damit sie nicht stören. Auch den frisch gefangenen ungefrorenen Thun in einer anderen Halle bekommen sie meist nicht zu sehen. Die verderbliche Ware muss schnell zu Sushi und Sashimi (roher Fisch in dünnen Scheiben) verarbeitet werden. Um die Zukunft macht sich Nozawas Chef, Kazuhito Sakan, wenig Sorgen: «Solange wir schonend fangen und mehr züchten, wird es auch noch in zehn Jahren genug Thun geben.»
Sein Mitarbeiter Nozawa läutet die Auktionsglocke schon seit einigen Jahren nicht mehr selbst. Er trägt lieber mehr Verantwortung für das Geschäft der Firma. Aber manchmal vermisst er den Glücksmoment, wenn man als Auktionator die Stimme hebt und Käufer wie Besucher in seinen Bann zieht.
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 28.07.2014, 17:45 Uhr.