Ahmad Mansour liebäugelte einst selbst mit dem radikalen Islam – heute will der Buchautor über die Gefahren des Islamismus aufklären. Er setzt sich ein für eine klare Integrationsstrategie, welche uns bis heute fehle, so der Islamismus-Experte im Gespräch.
SRF: Warum hapert es mit der Integration von Flüchtlingen und Migranten in Westeuropa?
Ahmad Mansour: Ich sehe dafür zwei Gründe. Erstens: Zu uns kommen Menschen aus ganz anderen Kulturen. Sie bringen eine andere Sozialisation und andere Werte. Viele dieser Werte stehen im Widerspruch zu denen, die wir hier in Westeuropa haben.
Zweitens: Wir haben kein politisches Konzept und keine Strategie zum Umgang mit dem Thema. Was sollen wir bei der Integration überhaupt erreichen? Und wie können wir das tun? Es gibt gute und schlechte Projekte aber ein politisches Bewusstsein dafür gibt es nicht.
In Ihrem Buch sprechen Sie von zwei falschen Zugängen: Panikmache von rechts und falsche Toleranz von links. Was meinen Sie mit diesen Begriffen?
Panikmacher sind Menschen, die nicht bereit sind, Lösungen zu suchen. Sie suchen nur Probleme, um Ängste zu schüren. Zur falschen Toleranz zähle ich Menschen, die Werte dieser Gesellschaft relativieren und meinen, man könne Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund nicht dazu zwingen, gleichberechtigt zu leben und demokratische Werte aufzunehmen.
Das sind Zustände, die dazu führen, dass die gesamte Gesellschaft verunsichert ist und nicht in der Lage ist, eine klare Haltung zu beziehen und das so auch zu kommunizieren.
Es gibt Stimmen, die sagen, Integration sei gar nicht notwendig, man könne das Nebeneinander auch friedlich pflegen. Was sagen Sie dazu?
Die sollen sich doch bitte die letzten 20 oder 30 Jahre ansehen. Was heisst eigentlich nebeneinander? Wenn es bedeutet, dass die Menschen ihr eigenes Essen kochen, Restaurants eröffnen, andere Kleidung tragen und andere Feiertage feiern, ist es natürlich möglich. In einer vielfältigen, offenen Gesellschaft soll das auch möglich sein.
Wenn nebeneinander leben aber bedeutet, dass manche ihre Kinder schlagen dürfen oder ihnen Kopftücher aufzwingen dürfen. Oder wenn man in Moscheen radikal gegen die offene Gesellschaft predigen darf.
Wir haben Juden, die sich überlegen, aus Europa auszuwandern, weil sie Angst um ihr Leben und die Sicherheit ihrer Kinder haben.
Das ist eine Gesellschaft, die nie zusammenhalten kann. Daraus entstehen Parallelgesellschaften. Die Ergebnisse davon sehen wir in Berlin Neukölln oder auch in der Schweiz. Das darf und kann keiner gut finden.
Ist das nicht auch ein bisschen Panikmache von ihrer Seite?
In der türkischen Community in Deutschland gibt es Menschen, die schon in der vierten Generation hier sind und trotzdem nicht angekommen sind. Das sind die Menschen, die auf die Strasse gehen, und Erdogan bejubeln, obwohl sie in einer demokratischen, freiheitlichen Gesellschaft grossgeworden sind.
Wir haben immer wieder antisemitische Demos. Wir haben Juden, die sich überlegen, aus Europa auszuwandern, weil sie Angst um ihr Leben und die Sicherheit ihrer Kinder haben.
Das sind Zustände, die man nicht löst, indem man wartet und wartet und sagt, das ergibt sich. Es geht darum, gewinnend zu arbeiten. Man muss diese Menschen erreichen und ihnen die Werte dieser Gesellschaft so vermitteln, dass sie begeisterte Demokraten werden.
Das Gespräch führte Igor Basic.