Wenn Comedian Felix Lobrecht mit seinem Kollegen Tommi Schmitt über Impfskeptiker, seine Saftkur oder die «mental health» von Zebras redet, hören Millionen zu. «Hackis» – so nennen sich die eingeschworenen Fans des erfolgreichsten Podcasts im deutschsprachigen Raum, angelehnt an den Titel «Gemischtes Hack».
Das Erfolgsgeheimnis von Felix Lobrecht? Viele – vermeintliche – Widersprüche in sich zu vereinen. Warum er als «Asi aus Berlin» trotzdem studiert hat, erklärt Lobrecht im Gespräch.
SRF: Ihre Tour war innerhalb von 24 Stunden ausverkauft, Ihr Buch wird verfilmt, Ihr Podcast millionenfach gestreamt. Sie sagten mal «Zufriedenheit ist ein unkreatives Lebensgefühl». Treibt Sie das an?
Felix Lobrecht: Der Spruch ist nicht von mir, den hab’ ich irgendwo geklaut – ohne Quellenangabe.
Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als wenn man über mich sagt, ich würde mich auf meinem Erfolg ausruhen. Ich will als Comedian besser werden. Das heisst, dass ich komplexere Themen besser auf den Punkt bringen will und nicht das Gefühl habe, ich müsse mich auf der Bühne verstellen.
Provokation nur der Provokation willen ist auch langweilig.
Humor ist immer auch Tabubruch. Gibt es Witze, die auch für Sie tabu sind?
Es gibt nicht das eine Thema, worüber ich grundsätzlich keine Witze mache. Oft habe ich Jokes zu einer aktuellen Tragödie, denke dann aber: Es ist noch zu früh. Abwarten.
Mir ist Kunst, die mal übers Ziel hinausschiesst, lieber, als eine, die es gar nicht erst probiert. Aber: Provokation nur der Provokation willen ist auch langweilig.
Oft wird erzählt, Sie hätten eine Tellerwäscherkarriere hingelegt. Ein sehr stereotypes Bild.
Ja, den schlimmsten Artikel über mich hat einmal die FAZ geschrieben und getitelt: «Der Millionär aus dem Ghetto.» Das ist die klassische Perspektive «von oben».
Die zugezogenen Hipster-Kids nehmen den Leuten, die dort in der Scheisse wohnen, ihre Wahrheit weg.
Sie schildern in Ihrem Roman «Sonne und Beton» auch ein Aufwachsen im Problembezirk Neukölln, inklusive Saufen, Kiffen, Prügeln, Klauen.
Ja, das «Aus-Neukölln-Sein» ist Teil meiner Identität. Meine Herkunft hat mich geprägt und geformt. Im Neuköllner-Stadtteil Rudow stehen soziale Wohnungsbauten neben Einfamilienhäusern.
Jetzt ist es in vielen früheren No-Go-Gegenden teils hip. Mich nervt das Thema Gentrifizierung: Wenn Akademiker-Kids nach Berlin kommen, in einen Problembezirk wie Neukölln ziehen, dort dann alles teurer wird, sie mit ihren Hipster-Freunden ein Craft-Beer trinken und in die Welt posaunen, Neukölln sei doch gar nicht so schlimm. So nehmen sie den Leuten, die dort in der Scheisse wohnen, ihre Wahrheit weg. Ich hab’ mit dieser Hipster-Kacke nichts zu tun.
Sie glauben ja nicht, dass irgendwelche Deutschen – also die zugezogenen Annemaries und Fabians – ihre Kinder dort auf eine Schule mit 90 Prozent Ausländeranteil schicken?
Sprechen Sie deshalb in vielen Interviews über Klassismus?
Mich erstaunt immer wieder, dass die gut erforschte Diskriminierungsdimension ökonomischer Herkunft nicht Thema ist. Obwohl wir in einer sehr «woken» Zeit leben.
Wir wissen, dass sich Armut reproduziert. Aber: Die Diskriminierungsdebatte wird sehr akademisch geführt. Ich kann mir vorstellen, dass betroffene Leute in prekären Verhältnissen inhaltlich nicht drin sind, weil sie sich gar nicht auf wissenschaftlicher Basis mit diesen Themen auseinandersetzen.
Wie viel Geld ich verdiene, ändert nichts an meiner Familiengeschichte oder meinen Freunden.
Haben Sie deshalb Politikwissenschaften und VWL studiert?
Meine Bildungslaufbahn ist «messy». Ich habe mein Abi nachgeholt und studiert, weil es mich interessiert. Ich habe an der Uni aber die gleichen Erfahrungen gemacht wie auf dem Gymnasium: Für viele war ich bloss «das Asi-Kind aus Berlin».
Heute sind Sie reich, tragen Gucci, fahren einen Mercedes. Was bewahrt Sie davor, nicht selbst zum Klassisten zu werden?
Wie viel Geld ich verdiene, ändert nichts an meiner Familiengeschichte oder meinen Freunden. Mein Vater wohnt immer noch da, wo wir aufgewachsen sind.
Den Spruch «Das hält einen am Boden» finde ich zwar eine arrogante Formulierung, aber ich «space» nicht ab, denn: Ich hänge nicht auf Gala-Shows mit «rich kids» rum.
Wir leben in einer Zeit der Identitätspolitik. Sie sind eine durch und durch ambivalente Persönlichkeit: tragen eine Rolex, spenden viel, reden im Podcast «Gemischtes Hack» über Gleichstellung.
Ich bin immer wieder verblüfft, wie schwer es Menschen fällt, diese vermeintlichen Widersprüche zusammenzukriegen. Warum ist diese Ambiguitätstoleranz – tolles Wort, das ich gelernt habe – so schwer? Eine komplett widerspruchsfreie Person ist das Langweiligste, was man sich vorstellen kann.
Ja, ich bin vielleicht ein Asi aus Berlin, aber ich habe trotzdem studiert. Ich habe gemerkt, dass ich alles authentisch in mir vereinen kann.
Die Fragen stellte Barbara Bleisch. Das Interview ist die gekürzte Fassung eines längeren Gesprächs, das im Rahmen der «Sternstunde Philosophie» geführt wurde.