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Eine verlorene Generation? Jugend in der Pandemie
Aus Kontext vom 20.04.2021. Bild: KEYSTONE/Alexandra Wey
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Jugend in der Corona-Krise Einsamkeit, Vorurteile, Freundschaften: Jungsein während Corona

Was hat ein Jahr Pandemie mit der jungen Generation des Landes gemacht? Ein Corona-Tagebuch von vier Jugendlichen.

Keine grossen Geburtstagsfeiern, kein Ausgang mit Flirts, keine ausgedehnten Auslandreisen und niemals sturmfrei. Der Alltag in der Pandemie heisst: verzichten.

Nicht nur für die Erwachsenen, auch für die Jugendlichen. Natürlich verschmerzt ein junger Mensch auch mal eine abgesagte Geburtstagsfeier oder einen Sommer ohne Zeltlager.

Corona-Stressstudie

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Gemäss einer Umfrage der Universität Basel (Swiss Corona Stress Study), die während der zweiten Welle der Corona-Pandemie im Herbst 2020 durchgeführt wurde, leiden fast 30 Prozent der befragten Personen zwischen 14 und 24 Jahren an schweren depressiven Symptomen. Besonders betroffen sind junge Menschen, die finanzielle Einbussen durch die Pandemie haben.

Aktuelle Studien aber zeigen: Ein Drittel der 14 bis 24-Jährigen leidet stark. Vier Jugendliche geben Einblick in ihr Pandemie-Jahr.

Katja Schmid: 20 Jahre alt, Matura 2020 abgeschlossen. Studiert seit Herbst 2020 Sport und Englisch.

eine junge Frau lächelt in die Kamera
Legende: Katja Schmid vermisst den Austausch mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen. ZVG

«Dass die Prüfungen nicht stattfanden, fanden alle cool. Aber so mit dem Gymi aufzuhören, war komisch. Natürlich gab es auch keine Abschlussfeier. So hat der Abschluss ein wenig an Wert verloren.

Im Juli hatte ich noch die Aufnahmeprüfung fürs Sportstudium. Eigentlich wollte ich danach sechs Wochen in die USA an eine Sprachschule, aber das fiel aus. Deswegen hatte ich von Mai bis zum Studiumsbeginn Mitte September diese Leere vor mir. Ich schwamm quasi im Nichts. Das gab es noch nie in meinem Leben. Ich dachte: ‹Was mache ich mit all der Zeit?›

Ich schwamm quasi im Nichts.

Im Sportstudium hatten wir zu Beginn noch Präsenzunterricht – zum  Glück, weil ich so meine Mitstudierenden kennenlernen konnte. Als sich mein Studium immer mehr zum reinen Online-Unterricht verschoben hat, kam die Ernüchterung. Jetzt habe ich neue Leute kennengelernt, aber bevor man die Beziehungen vertiefen kann, kommt ein Unterbruch.

Ich will nicht klagen, es geht uns immer noch super. Ich bin froh, gehöre ich nicht zu einer Risikogruppe. Aber unsere Generation hat einen grossen Verlust in Sachen Lebensqualität. Diese Jahre bekommen wir nicht zurück.

Wenn ich wüsste: In einem Jahr ist es vorbei, wäre das akzeptabel. Aber diese Ungewissheit, genau an diesem Zeitpunkt in meinem Leben, belastet sehr.»

Mario Tachikawa: 20 Jahre alt, 2019 Matur abgeschlossen, dann Zivildienst. Studiert seit Herbst 2020 Informatik.

ein junger Mann in einem Hoodie
Legende: Obwohl im Sommer ein bisschen Normalität bei Mario Tachikawa zurückkehrte, dominiert Corona seit Beginn sein Studium. ZVG

«Ich muss zugeben: Am Anfang dachte ich nicht, dass das alles so lange dauern würde. Ich dachte, der Bund führt jetzt ein paar Massnahmen ein und schnell lockert sich alles wieder.

Eigentlich wollte ich vor dem Studienbeginn noch ein bisschen reisen, aber ich habe bald gemerkt, dass es immer mehr Corona-Massnahmen gibt und sie immer strenger werden.

Im Sommer sah es dann so aus, als hätten wir das Schlimmste überstanden. Ich habe mich wieder mit Leuten getroffen, ging in den Ausgang. Für eine kurze Zeit ist in meinen Alltag ein bisschen Normalität zurückgekehrt. Aber eben nur vorübergehend.

Ich wusste nichts darüber, wie alles an der Uni abläuft. Es war echt hart.

Als das Informatikstudium losging, durften wir noch in die Uni-Bibliothek, um zu lernen. Ab November war das nicht mehr möglich. Damit begann für mich die schwerste Zeit: Ich musste alles von zu Hause aus erledigen und war dadurch noch viel stärker isoliert.

Weil ich gerade erst mit dem Studieren angefangen hatte, war ich von diesem Moment an voll auf mich allein gestellt. Ich kannte niemanden. Ich wusste nichts darüber, wie alles an der Uni abläuft. Es war echt hart.

Wie ich mir die Zukunft vorstelle? Ich denke, dass Menschen insgesamt vorsichtiger sein werden im Umgang miteinander. Ich glaube, dass Hygiene- und Abstandsregeln nicht komplett aus unseren Köpfen verschwinden werden. Vielleicht werden einige die Masken auch weiterhin tragen.

Vielleicht spricht man aber auch in einem Jahr über das alles gar nicht mehr. Wer weiss?»

Anna Schmid (Name geändert): 19 Jahre alt, macht die Berufsausbildung in der Pflege und hatte Fernunterricht.

eine junge Frau sitzt zu Hause an ihrem Laptop
Legende: Fernunterricht, Quarantäne und Reisebeschränkungen machten für Anna Schmid das letzte Lehrjahr zum schwierigsten. (Symbolbild) IMAGO / Addictive Stock

«Als ich 20 Tage lang in Quarantäne war, habe ich mich wirklich alleine gefühlt. Ich habe zum ersten Mal gecheckt, wie schwierig es sein kann, mit sich allein klarkommen zu müssen.

Die ganze Situation ist echt blöd für die Jugendlichen. Man hat anfangs nur auf die Älteren geschaut und sich total darauf versteift, dass die Jugendlichen sowieso nicht aufpassen und nur in Clubs gehen. Aber die meisten, die im Tram ihre Maske wirklich richtig tragen, sind wir Jugendlichen. Ich finde, wir haben uns in letzter Zeit echt gut verhalten – und wir mussten auch ziemlich viel einspringen für die Risikogruppen.

Die meisten, die im Tram ihre Maske wirklich richtig tragen, sind wir Jugendlichen.

Was mich momentan am meisten stört, ist die Sache mit dem Reisen. Ich bin aus Südamerika und habe eine Familie dort, welche ich gerne endlich wiedersehen würde. Wenn man in der Ausbildung steckt, hat man ja ohnehin wenig Ferien. Und jetzt kann ich in den zwei Wochen, die ich habe, nicht mal irgendwo hingehen! Das ist schrecklich.

Ich habe ziemlich viel gespart im letzten Jahr. Mir ist aufgefallen, wie viel man an Partys so ausgibt. Das Problem ist allerdings: Wenn man das Geld nicht für Alkohol an Partys ausgibt, gibt man es halt für Klamotten aus. Aber es gibt natürlich auch diejenigen, die schlau sind und sparen: für die Autoprüfung, für ein eigenes Auto und für die Zukunft.»

Luana ist 16 Jahre alt, lebt in Grenzach an der Schweizer Grenze. Viele ihrer Freunde leben in der Schweiz. Mit dem ersten Lockdown waren sie lange voneinander abgeschnitten.

eine junge Frau macht ein Spiegel-Selfie
Legende: Luana empfindet das Kennenlernen und Daten in der Pandemie als besonders schwierig. ZVG


«Wegen dem Virus konnte ich niemanden treffen, man fühlte sich wie eingesperrt. Ich war tagelang, wochenlang zu Hause.

Ich lag nur noch mit meinem Handy im Bett, hatte nichts zu tun. Ich wurde faul.

Ich lag nur noch mit meinem Handy im Bett.

Früher trafen wir uns in der Stadt mit unseren Freunden. Heute geht das nicht mehr, keiner ist mehr da und es läuft nichts mehr. Irgendwann nervte es schon: Restaurants waren zu, Kleiderläden waren zu. Ich wusste gar nicht, wo ich meine Hosen kaufen sollte. Man musste alles bestellen, das ist anstrengend.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 21.04.2021, 09:03 Uhr;

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