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Kampagne von Hilfswerken Wer unabhängig sät, kann Vielfalt ernten

Wer das Saatgut hat, hat die Macht. Eine kirchliche Kampagne kämpft aktuell dafür, dass es Bäuerinnen und Bauern gehört – statt Konzernen.

«Saatgut ist ein Geschenk Gottes», sagt Theologe Jan Tschannen. Aus biblischer Sicht stelle Gott allen Lebewesen die Nahrung zur Verfügung: «Die Samen gehören demnach uns allen.»

Längst ist Saatgut aber zum lukrativen Geschäft geworden. Agrarkonzerne reissen sich die Zucht unter den Nagel. Sie lassen ihr manipuliertes Saatgut patentieren und damit schützen.

Das Nachsehen haben Bäuerinnen und Bauern im globalen Süden. Immer öfter müssen sie teures Saatgut kaufen – während traditionelle Saat verloren geht.

Abhängig von grossen Konzernen

Auf diese Missstände im Saatgutmarkt will die diesjährige ökumenische Kampagne aufmerksam machen. Jan Tschannen ist mitverantwortlich dafür. «Saatgut heisst Leben. Wer es besitzt, hat die Macht über die Nahrungsmittelproduktion», sagt er.

Die ökumenische Kampagne

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Die kirchlichen Hilfswerke «Brot für alle» und «Fastenopfer» führen seit 1969 jährlich während der Fastenzeit eine ökumenische Kampagne durch. Neu ist auch das Hilfswerk «Partner sein» dabei.

Die aktuelle Kampagne richtet u.a. auch einen Appell an das Staatssekretariat für Wirtschaft: Denn derzeit verhandelt die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit Malaysia. Dadurch droht den malaysische Bäuerinnen und Bauern, dass sie die Kontrolle über ihr eigenes Saatgut verlieren.

Diese Macht gehört aktuell den grössten Saatgutproduzenten, wie Monsanto/Bayer oder auch Syngenta. Passend zu ihrem Saatgut produzieren sie Pestizide. Wer ihr Saatgut kauft, muss gleichzeitig auch ihr teures Pestizid kaufen.

Bäuerinnen und Bauern werden auch durch andere Strategien von den grossen Saatgutkonzernen abhängig. Etwa, wenn deren Saatgut Hybridsorten sind. Diese Sorten lassen sich nicht weiter vermehren. «Wer dieses teure Hybridsaatgut einmal nutzt, bleibt abhängig von den Produzenten», erklärt Jan Tschannen.

Vielfalt statt Einheitsbrei

Gut die Hälfte der Nahrungsmittel weltweit wird von Kleinbäuerinnen und -bauern produziert. Viele vermehren, tauschen und verkaufen noch heute ihr traditionelles Saatgut. Mit neuen Sortenschutzbestimmungen und Hybridsorten wird das aber immer schwieriger.

Im südlichen Afrika kämpfen Bäuerinnen für ihr traditionelles Saatgut. Mercia Andrews leitet «the rural women’s assembly», eine Bewegung von Kleinbäuerinnen.

«Es ist eine traditionelle Kultur, dass Frauen Saatgut vermehren, ernten und lagern», erzählt die Südafrikanerin. Traditionelle Gemüse- und Früchtesorten blieben so erhalten und ergänzten das immer gleichförmigere Angebot in Supermärkten.

Traditionelles Saatgut ist widerstandsfähiger

Mercia Andrews berichtet von Bäuerinnen in Mosambik, die im letzten Jahr ihre ganze Saat bei Wirbelstürmen verloren haben. Die Vereinigung der Bäuerinnen wollte helfen und habe gefragt: «Wie können wir euch solidarisch unterstützen?»

Eine Hand hält Bohnen in die Kamera.
Legende: Bohnen aus Südafrika dienen traditionell wieder als Saatgut. Fastenopfer

«Bringt uns traditionelles Saatgut», hätten die Bäuerinnen in Mosambik gebeten, erzählt Mercia Andrews. Traditionelles Saatgut sei widerstandfähiger und halte auch dem Wetterwechsel besser stand, lauteten ihre Argumente.

Auch hierzulande wertvoll

Bäuerliches Saatgut sorge auch bei uns für Sortenvielfalt, betont Jan Tschannen. «Jahrtausendelang haben Bauern durch Zucht und Optimierung eine genetische Vielfalt aufgebaut.» Viel davon sei auch hierzulande mit der industrialisierten Landwirtschaft verloren gegangen, bedauert der Theologe.

Was ihn freut: Das Bewusstsein für eine ökologischere Landwirtschaft sei in den letzten Jahren gestiegen. Heute sei vielen bewusst, dass wir Biodiversität brauchen.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 23.2.20, 8:30 Uhr

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