- Seit 100 Jahren setzt sich der niederländische Bund gegen das Fluchen für eine reine Sprache ein.
- Der Bund ermutigt kreativen Sprachgebrauch und rät einem bei Wut, dem Gegenüber die Gefühle zu kommunizieren .
- Früher mahnte der Bund fluchende Zeitgenossen, heute sucht er das Gespräch .
Krankheiten statt Fäkalien
Wer täglich mit dem Velo durch Amsterdam fährt, kann sein Fluchvokabular ständig erweitern. Ein gewagtes Überholmanöver wird dort gerne mit «Kankerhoer» (Krebshure) kommentiert, das zu lange Warten vor einem Rotlicht mit «Teringleier» (Schwindsüchtige) und zu lautes Klingeln mit «Godverdomme trut» (Gottverdammte Zicke).
Neben den Worten Gott oder Jesus spielen Krankheiten bei niederländischen Kraftausdrücken eine Hauptrolle, nicht Fäkalien – wie in anderen Sprachen üblich.
Bund gegen das Unstatthafte
Für den Bund gegen das Fluchen ist beides verpönt. Selbst abgewandelte Ausdrücke wie «potverdikkie» statt «Godverdomme» oder «Jesses» statt «Jesus» als Ausdruck des Erstaunens sind unstatthaft.
Der niederländische Bund gegen das Fluchen kämpft seit 100 Jahren für eine reine Sprache. «Wir empfehlen immer, möglichst kreativ nach jenen Worten zu suchen, die eine momentane Emotion am besten treffen», sagt Sprecher Frans de Koeijer.
An Rippenfellentzündungen stirbt man
Diesen Rat hat der Bund gegen das Fluchen auch Ministerpräsident Mark Rutte gegeben. Einem Niederländer mit türkischen Wurzeln, dem etwas nicht passte, sagte der Premier im Fernsehen unmissverständlich: «Pleur op» (verpiss dich).
In den Ohren der Anti-Fluch-Bündler war dies eine grobe Beleidigung. Der Ausdruck verweise auf eine Rippenfellentzündung, an der jährlich hunderte Menschen stürben, erläutert der Sprecher.
Die bibelfesten Mitglieder wurden deswegen am Regierungssitz vorstellig und lasen Rutte die Leviten.
Fluchen ärgert
Ihr Handeln war damit ganz und gar im Einklang mit den Absichten des Gründers Herr J. Baas aus Den Helder. Vor genau 100 Jahren hatte sich Baas so sehr an der derben Sprache von Militärs im Tram geärgert, dass er beschloss, etwas dagegen zu unternehmen.
Seitdem setzt sich der Bund für eine Sprache ohne Flüche und Kraftausdrücke ein. Das tat er jahrelang mit mahnenden Postern auf Bahnhöfen. Das bekannteste ist jenes mit einem roten Papagei unter dem stand: «Fluchen ist angelernt, plappere nicht nach.»
«Beherrschen Sie Ihre Feder»
Immer wieder mischte sich der Bund ein, wenn Presseleute in ihrem Medium Schimpf- oder andere unflätige Worte in den Mund nahmen.
Der fehlbare Journalist konnte immer mit einer schriftlichen Standpauke rechnen. Und einem Kugelschreiber, auf dem die Worte «Beherrschen Sie Ihre Feder» eingraviert waren.
Statt Fluchen: Gespräch suchen
Die moralisierenden Belehrungen gehören inzwischen der Vergangenheit an. Heute suchen die Bund-Mitglieder den Dialog. Nicht nur mit dem Premier, sondern auch mit Schülerinnen und Schülern, die sie zu einem respektvollen Umgang mit der Sprache auffordern.
In diesem Jahr verteilen sie ihre Botschaft gebündelt in der Jubiläumspostille «Holy» in Bahnhöfen und auf grossen Plätzen in der Absicht, mit Interessierten ins Gespräch zu kommen.
Bis der Herrgott wieder kommt
Solange geflucht wird, hat der Bund mit seinen 35'000 Anhängern eine Daseinsberechtigung. Der einzige Grund für seine Abschaffung wäre die Wiedergeburt von Jesus, von der sie alle überzeugt seien, sagt Frans de Koeijer.
Bis es soweit ist, rät der Sprecher vom Bund gegen das Fluchen, die aufsteigende Wut jeweils zu benennen. Auch das zeige Wirkung: «Es hilft, zu jemandem zu sagen: Ich spüre, dass ich mich masslos ärgere, fühlst du das auch?»
Diese simple Botschaft ist bisher nicht bis zu den Amsterdamer Velofahrern vorgerückt. Dort gilt nach wie vor: Ich ärgere mich, also verfluche ich dich.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 16. Februar 2017, 17.20 Uhr