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Bild einer Amsterdamer Strasse mit Erotik-Shops.
Legende: Familien statt Freudenhäuser: Amsterdam möchte sein Image als Stadt der Sünde abstreifen. IMAGO / VWPics
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Kampf gegen Partytouristen Amsterdam hat die Nase voll: Spass-Stadt will seriöser werden

Schluss mit Krawall: Mit einem Online-Fragebogen will Amsterdam unliebsame Touristen fernhalten. Ein Image-Wechsel könnte jedoch schwierig werden.

«Möchten Sie Koks kaufen?» oder «Hätten Sie Bock auf eine Bordell-Tour?»: Für Spass-Touristen, die in Amsterdam die lang ersehnte Ekstase suchen, stehen vielleicht bald nüchterne Zeiten an. So will es zumindest die Stadt, die mit einem Online-Fragebogen versucht, unliebsame Touristen fernzuhalten. Wer nach Amsterdam googelt, soll «verhört» werden – in einem ernst gemeinten, wenn auch unterhaltsamen Quiz.

Für Historiker Valentin Groebner, zu dessen Spezialgebieten die Geschichte des Tourismus gehört, sind die Bemühungen Amsterdams eine «seltsame Art und Weise, den Touristen und seine Wünsche als steuerbar wahrzunehmen.» Er erkennt ein interessantes Paradox: «Die Verantwortlichen der Stadt wollen Touristen und beklagen sich dann darüber, dass Touristen dort das Falsche tun.»

Amüsement gehört zu Amsterdam

Touristen, die «Falsches» tun, will die Stadt nicht erst seit dem Fragebogen fernhalten: Bars schliessen um zwei Uhr nachts, in der Innenstadt darf man nicht mehr in der Öffentlichkeit kiffen und vor einem Jahr hat die Stadt mit einer «Stay Away»-Campaign versucht, johlende Engländer fernzuhalten. «Wild Nights» in Amsterdam – no, thanks!

Ein Mann raucht einen Joint.
Legende: Amsterdam hat die Nase voll von Partytouristen, die auf der Strasse Cannabis rauchen und nachts rumgröhlen wollen. Getty Images / Stefan Guidi

Dabei gehört das Amüsement zu Amsterdam – und das habe sich die Stadt selber zu verschulden, so Groebner: «Seit den 1960er-Jahren hat die Stadt viele öffentliche Mittel investiert, um zu einem Touristenziel zu werden.» Das Stadtmarketing lockte jahrelang mit Spass: «Kommen Sie nach Amsterdam, um sich zu amüsieren», so der Slogan.

Malle bleibt

Ob die Stadt ihr lang zelebriertes Party-Image einfach ablegen kann? Versuche eines Image-Wechsels gibt es im Tourismus immer mal wieder. Ein Beispiel: Mallorca.

«Anfang der 1990er-Jahre hat die Insel beschlossen, das Image des Billigtourismus ablegen zu wollen», erinnert sich Groebner. Statt auf Sauftouristen, die am Strand eimerweise Bier kippen, wollte die Insel auf «Qualitätstourismus» setzen. Das Vorhaben, so Groebner, sei gescheitert. Qualitätstourismus wie Öko- und Wandertourismus kamen zwar hinzu. Der Billigtourismus sei jedoch geblieben.

Audio
Overtourism: Wann wird Tourismus zu einem Problem?
13:55 min Bild: IMAGO / Jürgen Schwenkenbecher
abspielen. Laufzeit 13 Minuten 55 Sekunden.

«Tourismus ist ein Allesfresser», so Groebner. Sonnen sich die Okö-Touristen schonend auf der schönen Seite der Insel, brutzeln die Party-Touristen noch heute am Ballermann.

Schluss mit «Springbreak»?

Dass der Mega-Spass Grenzen hat, zeigt auch eine Meldung aus den USA: In einer Videokampagne will Miami Beach «Schluss» mit dem Massenbesäufnis «Springbreak» machen.

Mit Massnahmen wie Sicherheitskontrollen oder dem regen Erinnern ans Alkohol- und Cannabis-Verbot im öffentlichen Raum will Miami Teenie-Touristen im Zaum halten. Aber vertreiben will man sie (noch) nicht: Denn sie bringen viel Geld.

Früher war nicht alles besser

Ob Miami oder Amsterdam: Zwei Beispiele von Städten, die an einem nüchterneren Image feilen. Zeichen einer Zeit, in der Spass nicht mehr alles zählt? Groebner bezweifelt das: «Schon im 16. Jahrhundert gibt es Kataloge von Prostituierten aus Venedig, die als Zielpublikum junge europäische Adelige hatten, die auf Durchreise nach Rom waren.»

Die gute alte Zeit, in der Touristen nur aus seriösen Beweggründen die Welt bereisten? Ein Märchen: «Die Vorstellung der guten alten Zeit – sprich ‹Ich gehe nach Amsterdam, um eine wunderbar erhaltene Stadt aus dem 17. Jahrhundert zu sehen› – ist eine Fiktion.» Unterhaltung gehört zum Tourismus dazu. Aber: In welchem Masse?

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Radio SRF 4 News, Nachrichten, 22.3.2024, 12:00 Uhr

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