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Kardinal unter Verdacht Das hat es mit der Razzia im Erzbistum Köln auf sich

Was ist passiert? Der Westdeutsche Rundfunk berichtete von einer Razzia im Erzbistum Köln. Durchsucht wurde auch der Amtssitz des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki. Der Vorwurf: Woelki soll vor Gericht falsch ausgesagt haben. Er war Zeuge in einem Verfahren gegen einen Priester gewesen, gegen den wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt wurde. Pikant: Woelki hatte seine Aussage mit dem Schwur geschlossen: «Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe!». Die heutige Razzia stellt laut WDR-Reporter Jochen Hilgers eine «neue Eskalationsstufe» dar.

Was wird Kardinal Woelki vorgeworfen? Konkret steht der Erzbischof in Verdacht, Meineid geleistet, also unter Schwur gelogen zu haben. Bei einer Gerichtsverhandlung im März sagte er, nichts von «der Neigung» eines ihm unterstellten Priesters gewusst zu haben. Diesen hatte Woelki befördert.

älterer Mann mit runder, schwarzer Brille, die Hand erhoben, spricht in Mikrofon.
Legende: Bei einer Pressekonferenz im Frühling 2021 gestand Kardinal Woelki Versäumnisse ein, nachdem ein Missbrauchs-Gutachten zunächst nicht veröffentlicht wurde. Seinen Rücktritt bot Woelki Papst Franziskus an, der das Gesuch jedoch ablehnte. Getty Images / Andreas Rentz

Was genau sucht die Staatsanwaltschaft bei Kardinal Woelki? Die Staatsanwaltschaft sucht nach Dokumenten, unter anderem nach einem Brief. In diesem Brief Woelkis aus dem Jahr 2018 wird unter anderem aufgelistet, der besagte Priester habe mit Minderjährigen die Sauna besucht, mit ihnen Alkohol und Pornografie konsumiert sowie vor einem Minderjährigen masturbiert. Adressat des Briefes war die Glaubenskongregation in Rom mit der «Bitte um Weisung». Absender war Rainer Maria Kardinal Woelki. Dieser Brief sei nur von ihm in Auftrag gegeben worden, sagte der Kardinal, er habe ihn aber nicht selbst verfasst.

Was steht auf dem Spiel? In den vergangenen zwei Jahren sind in Köln so viele Menschen aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten wie nie zuvor. Kardinal Woelki hat bereits jetzt das Vertrauen vieler Menschen verloren. Neben der Glaubwürdigkeitskrise, in der die römisch-katholische Kirche schon tief steckt, geht es in diesem Fall um eine Straftat. Auf Meineid steht Freiheitsstrafe: in minder schweren Fällen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.

Welche Rolle spielte Kardinal Woelki bisher in der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals? Er verweigerte sich zunächst dem Synodalen Weg in Deutschland. Lange zeigte er sich wenig kooperativ. Mit Verzögerungen kam 2021 schliesslich ein Missbrauchsgutachten heraus, das er in Auftrag gegeben hatte. Bei der Pressekonferenz machte er den Eindruck, sich selbst entlasten zu wollen. 2022 hatte Woelki wegen der Skandale im Bistum Köln dem Papst bereits seinen Rücktritt angeboten, den Franziskus bisher aber nicht angenommen hat. Das erboste wiederum viele Gläubige.

Was ist der Synodale Weg?

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Papst Franziskus hat den sogenannten synodalen Prozess ins Leben gerufen. Dieser soll die römisch-katholische Kirche weiterentwickeln. Der Papst wolle eine Kirche, in der Menschen miteinander sprechen und aufeinander hören. Dass die Strukturen und Traditionen der römisch-katholischen Kirche zeitgemässer gestaltet werden sollen, passt nicht allen.

Speziell in Deutschland, wo 2018 der sexuelle Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche bekannt wurde, wollen die Bischöfe Reformen anstossen. Die Themen: Machtmissbrauch, Sexualmoral, ablehnende Haltung der Kirche zur Homosexualität, Zölibat und die Rolle der Frau.

Wie geht es weiter? Nachdem das Erzbistum gerade kürzlich zu Schadensersatzzahlungen in Höhe von 300’000 Euro in einem anderen Fall verurteilt wurde, scheint die Zeit endgültig vorbei, in der die Kirche Missbrauch vertuschen und Täter decken kann. Als altes, bedeutsames und grosses Bistum hat Köln eine besonders hohe Fallhöhe – und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft entsprechende Signalwirkung.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 27.06.2023, 17:10 Uhr

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