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Sharenting
Aus 100 Sekunden Wissen vom 28.01.2020. Bild: SRF / Sebastien Thibault
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Kinderfotos in sozialen Medien Du hättest fragen müssen, Papa!

Viele Eltern teilen ständig Fotos von ihren Kindern in sozialen Medien. Ein Trend, der jetzt einen Namen hat: «Sharenting». Ein harmloses Phänomen? Eine Expertin weiss: Unbedachte Posts können bei Kindern grossen Schaden anrichten.

Regula Bernhard-Hug

Regula Bernhard-Hug

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Regula Bernhard-Hug ist Geschäftsleiterin a.i. der Stiftung Kinderschutz Schweiz. Kinderschutz Schweiz setzt sich als Fachstelle schweizweit dafür ein, dass Kinder in Schutz und Würde gewaltfrei aufwachsen können, dass ihre Rechte gewahrt werden und ihre Integrität geschützt wird.

SRF: Früher wurde Fotoalben von Kindern unter Verwandten und Freunden rumgereicht, heute werden Kinderfotos auf sozialen Medien geteilt. Ist das problematisch – oder die normale Elternschaft von heute?

Regula Bernhard-Hug: In der analogen Welt zeigen Eltern die Bilder gezielt Verwandten oder Freunden, sie behalten das Material meist in der eigenen Hand. Anders in der digitalen Welt: Sobald Eltern die Bilder teilen, haben sie keinen Einfluss mehr, wie das Bild verwendet wird.

Im schlimmsten Fall erkennen Eltern diese Problematik, wenn das Bild des Kindes in Pädophilen-Foren gehandelt wird. Kommt hinzu, dass das Teilen von Fotos mit einer Rechts- und Ehrverletzung der Kinder einhergehen kann.

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Die ersten Kinder, die mit sozialen Medien aufwuchsen, werden sich bewusst: Mama und Papa haben mein Leben mit dem Rest der Welt geteilt. Kann das hinderlich sein in der Entwicklung des Kindes – etwa in der Teeniephase?

Selbstverständlich kann es für die Entwicklung des Selbstwertgefühls hinderlich sein.

Ein Beispiel dafür ist die Cheese-Challenge. Da haben Eltern ihren Kindern Schmelzkäse ins Gesicht geworfen, ihre Reaktion aufgenommen und in sozialen Medien geteilt. Eine solch öffentliches Zurschau- und Blossstellen nagt am Selbstwert der Kinder. Zumindest, wenn sie älter werden und sie sich der Tragweite bewusst werden.

Auch Bilder, auf welche Eltern stolz sind – beispielsweise vom Kind am Kunstturnwettbewerb – können für Teenies peinlich sein.

Es sind Prozesse in Nachbarländern bekannt, wo Jugendliche ihre Eltern verklagt haben.

Sind Eltern im Umgang mit sozialen Medien noch zu naiv?

Am Anfang war das Internet schneller als die Medienkompetenz der Eltern. Aber immer mehr Eltern erkennen die Gefahren. Es braucht aber noch viel Aufklärungsarbeit. Auch Medienkompetenz – bei Eltern und bei Schülern.

Die Gefahren werden der Öffentlichkeit auch durch bestimmte Fälle ins Bewusstsein gerückt: In der Schweiz ist bekannt, dass vermehrt die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) eingreifen müssen, weil das Kindswohl durch blossstellende Bilder gefährdet wird. Auch Prozesse in Nachbarländern sind bekannt, wo Jugendliche ihre Eltern verklagt haben.

Ein Mann macht ein Foto von seinem Kind.
Legende: So einen Schnüggi muss man auf Social Media zeigen. Oder vielleicht doch nicht? Getty Images / d3sign

Welche Rechte haben denn Kinder?

Artikel 16 der Kinderrechtskonvention hält fest: Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre. Die Grundrechte gewährleisten zudem das Recht am eigenen Bild und das Recht auf Selbstbestimmung. Das bedeutet: Ohne Einwilligung dürfen die Eltern nichts posten.

Als Baby kann man jedoch schlecht dazu einwilligen.

Eltern müssen sich bewusst sein, dass das Selbstbestimmungsrecht rückwirkend eingefordert werden kann. Zudem müssen sie das Kind ab Geburt so schützen, dass es in seiner Ehre und seinem Ruf nicht beschädigt wird.

Wenn das Kind zu klein ist, ist es wichtig, sich zu fragen: Würde ich das Bild inmitten der Stadt aufhängen wollen?

Für manche Eltern ist es keine Option, keine Kinderbilder zu posten: Was wäre ein guter Umgang damit?

Grundsätzlich muss das Kind gefragt und einverstanden sein. Dabei müssen Eltern auch überlegen, ob das Kind die nötige Medienkompetenz erhalten hat. Weiss ein Kind, wozu es ja sagt?

Wenn das Kind zu klein ist, ist es wichtig, sich zu fragen: Würde ich das Bild inmitten der Stadt aufhängen wollen? Würde es das Kind in zehn Jahren ins Klassenzimmer mitnehmen und dort aufhängen? Im Zweifelsfall würde ich den Check mit mir selber machen: Würde ich ein solches Bild von mir posten wollen?

Eltern müssen sich auch fragen, warum sie das Bild posten. Will ich möglichst viele Likes erhalten. Was lebe ich damit vor? Für die Entwicklung des Kindes ist es sicher besser, wenn es die Anerkennung direkt erlebt und nicht über Likes.

Das Gespräch führte Danja Nüesch.

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