Der 44-jährige Michael Patrick «Paddy» Kelly ist ein Mann mit drei Leben: Kinderstar in der legendären Musikgruppe «Kelly Family», danach Mönch in einem Schweigekloster, sechs Jahre später Solokünstler auf der Bühne. Ein Musiker und Gottsuchender über Spiritualität und Stille.
SRF: Mit 15 haben Sie Ihren ersten Welthit «An Angel» geschrieben. Welche Beziehung haben Sie zu Engeln?
Michael Patrick Kelly: Ich hatte einen Traum, in dem ich einen Engel gesehen habe, der frei herumfliegen konnte. Das gefiel mir, ich hätte das auch gerne gekonnt. Diese Sehnsucht hat vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen. Aber ich hatte nie Engelserscheinungen – so heilig bin ich dann doch nicht.
Mit fünf Jahren haben Sie Ihre Mutter verloren. Im Video zum Song «Mothers Day» Ihres aktuellen Albums «B.O.A.T.S» gehen Sie zurück auf den Friedhof und legen auf allen Gräbern rund um jenes Ihrer Mutter Blumen nieder. Warum?
Als Kind hatte ich nur ein paar bescheidene Feldblumen dabei, als ich zu ihrem Grab ging. Als ich sah, dass auf den anderen Gräben grosse Blumensträusse lagen, habe ich diese einfach alle geklaut und auf das Grab meiner Mutter gelegt. Aufgrund meines schlechten Gewissens bin ich dann fast 40 Jahre später zurückgekehrt und habe den anderen Verstorbenen die gestohlenen Blumen zurückgegeben.
Wir hatten alles, wovon viele träumen. Trotzdem war da eine grosse Leere.
Ende 2004 zogen Sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und lebten sechs Jahre als Mönch in einem katholischen Schweigekloster im französischen Burgund. Wie kam es dazu?
Ich hatte Anfang 20 zusammen mit meiner Familie einen Riesenerfolg: Wir haben Stadien gefüllt, lebten in einem Schloss und hatten alles, wovon viele träumen. Trotzdem war da eine grosse Leere. Das hat mich zur Suche nach mehr bewogen, auf eine spirituelle Reise.
Vor der Zeit im Kloster bin ich immer von etwas weggerannt oder auf etwas zu gerannt. Aber ich war nie wirklich bei mir. Mit der Stille im Kloster habe ich zum ersten Mal in mich hineingehört, mich selbst erkannt. Irgendwann kam diese Ruhe – und das macht süchtig.
Stille ist für mich eine Quelle der Inspiration.
Wen haben Sie denn erkannt?
Zuvor war ich wie ein Waisenkind. Ich wusste nicht, woher ich komme, wo ich hingehe, warum es mich gibt. Wenn ich mich selbst als Werk verstehe – und ich bin ja Songwriter – dann kann ich mich nur verstehen, wenn ich meinen Erfinder, meinen Schöpfer frage: «Hey, was hast Du Dir dabei gedacht, als Du mich geschrieben hast»? So war es bei mir mit Gott.
Hat eigentlich auch das Schweigen eine Melodie?
Stille ist für mich eine Quelle der Inspiration. Ich nehme mir heute jeden Tag mindestens eine halbe Stunde stille Zeit. Ich gehe quasi offline mit der Welt und chatte «online with the Lord». Das habe ich aus der Klosterzeit in die heutige Zeit mitgenommen.
Heute lebe ich nicht mehr in einer Klosterzelle, aber ich habe eine in mir. Ich finde Gott heute auch im Showbusiness oder an der Tankstelle. Wir leben in Gott wie Fische im Wasser. Sie merken es nicht, sie schwimmen einfach so herum. Dieses «er ist immer da», das ist heute mein Glück.
Ab und zu offline gehen und sich bei Gott einloggen kann nicht schaden.
Was hat Sie schliesslich dazu gebracht, das Kloster zu verlassen?
Ich war eine Zeitlang immer wieder krank, dann chronisch erschöpft. Für die älteren Mönche war das ein Zeichen. Sie sagten zu mir: «Go get a girl, get back into music and go with God. – Nehme dir eine Frau, kehre zurück zur Musik und gehe mit Gott.» Anfangs fiel es mir schwer, das Kloster zu verlassen. Ich bin so ein irischer Dickkopf, der mit dem Schiff sinken will.
Im Nachhinein bin ich dankbar für die Entscheidung dieser klugen Mönche, die mich wieder in die Welt hinaus entsandt haben. Für ein ganzes Leben im Kloster muss man berufen sein. Aber ab und zu offline gehen und sich bei Gott einloggen kann nicht schaden.
Das Gespräch ist ein Ausschnitt aus der Sendung «Sternstunde Religion» vom 29. Mai 2022. Die Fragen hat Ahmad Milad Karimi gestellt.