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Kirchliche Hilfswerke Nur Geld sammeln reicht nicht mehr

Aufklärung statt Opferstock: Kirchliche Hilfswerke sammeln heute nicht mehr nur Spenden. Mit Kampagnen fordern sie uns auf, weniger Fleisch zu essen und nachhaltiger zu wirtschaften. Nicht alle sehen das gerne.

«Kirchliche Hilfswerke sind keine Barmherzigkeitsagenturen», sagte Caritas-Mitarbeiter Odilo Noti unlängst dem katholischen Medienzentrum kath.ch.

Zwar leisten die kirchlichen Hilfswerke tätige Nächstenliebe auch künftig als Nothilfe für Menschen in Hunger- und Kriegsgebieten. Immer wichtiger wird ihnen aber die Aufklärung bei uns und die Entwicklungspolitik.

Nur mit nachhaltigen Projekten, Bildung, Umweltschutz, Selbstermächtigung und autonomer Wirtschaft könne etwa Afrika aus dem Hungerkreislauf ausbrechen.

Politischer agieren

Das reformierte «Brot für alle» möchte schon gar nicht mehr «Hilfswerk» genannt werden. Es nennt sich heute «entwicklungspolitische Organisation». Aufklärungskampagnen hierzulande gehören mittlerweile zu ihrem Kerngeschäft.

«Brot für alle» nahm so den europäischen Fleischkonsum unter die Lupe: Unser hoher Fleischkonsum schade durch den CO2-Ausstoss dem Klima und sei für die Nahrungsmittelknappheit im Süden mitverantwortlich.

Anstatt Nahrung für Menschen werde in Südamerika und Afrika Futtermittel angebaut, beklagt «Brot für alle».

Vor dem bundeshaus brennen Kerzen in Form des Kontinents Afrika.
Legende: Hier Bewusstsein schaffen, dort helfen: eine Aktion des Heks vor dem Bundeshaus. Keystone

«Grosses im Kleinen bewirken»

Dieter Wüthrich vom HEKS, dem Hilfswerk der Evangelischen Schweiz, möchte lieber «Grosses im Kleinen bewirken». Man könne als Schweizer Hilfswerk «nicht die ganze Welt retten».

Aber für viele Menschen hier in der Schweiz und auch im Süden das Leben verbessern, das könne man.

Wüthrich vom HEKS scheut sich, die Menschen hierzulande «erziehen» zu wollen. Ist das ein kleiner Seitenhieb gegen die Aufklärungsprogramme von «Brot für alle»? Nein, sagt Wüthrich, man arbeite nach wie vor gut zusammen.

Manche mögen's nicht

Aber die Angst ist spürbar, mit allzu wirtschaftskritischen Kampagnen das eher bürgerlich-konservative Spendenpublikum zu vergraulen. Aus diesem zahlungskräftigen und kirchentreuen Milieu kommt wenig Sympathie für einen Kurs, der als «links politisierend» wahrgenommen werden könnte.

Schliesslich fordern viele christliche Hilfswerke nicht weniger als einen wirtschaftlichen Systemwechsel weg vom Wachstums-Paradigma hin zum Nachhaltigkeits-Paradigma.

Für Mensch und Natur

Auch in freikirchlichen Kreisen wächst die Grundkritik an der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung. Wie solle eine gerechtere Welt möglich werden, wenn kein Systemwechsel stattfinde – und zwar wirtschaftspolitisch wie gesellschaftlich.

Das «Brot für alle» sagt dies ganz klar so. Davon ebenso überzeugt ist das freikirchliche Bündnis «StopArmut». An einer grossen Tagung Ende Oktober in Zürich gab StopArmut dazu ganz praktische Workshops über nachhaltiges Spenden.

Ein Mädchen spricht an einem Infoanlass von Fastenopfer, vorne stehen Plastiktüten mit Ähren.
Legende: Viele kirchlichen Hilfswerke setzen sich für nachhaltige Nahrungsmittel ein. Keystone

Verzicht als alt-neue christliche Tugend

Im evangelikalen Spektrum wird nicht mehr nur «der Zehnte» gespendet. Hier gibt es Gruppen, die einen neuen schlichten Lebensstil einüben: weniger Fleisch, weniger Flugreisen, weniger oft neue Kleider kaufen.

StopArmut ist überzeugt: Jeder und jede kann zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen, wenn wir das eigene Konsumverhalten nur ein klein wenig ändern.

Die Natur haben die christlichen Werke ohnehin längst im Blick: Umweltschutz heisst bei ihnen «Bewahrung der Schöpfung». Sie ist laut Bibel der erste Auftrag überhaupt, den Gott den Menschen gab.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 7.12.2017, 06:50 Uhr

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