Geplant war es als Einstieg in das akademische Berufsleben, am Ende wurde es ein fulminanter Schmöker, der quer stand zum akademischen Betrieb. Das Buch «Männerphantasien» war eines der aufregendsten Bücher der politisierten 1970er-Jahre.
Es war obszön, provozierend und machte Klaus Theweleit berühmt, berüchtigt und zum Pionier der Männer- und Gewaltforschung in Deutschland. Nun feiert Theweleit seinen 80. Geburtstag.
Es ist auch das erste Projekt einer ganzen Serie dickleibiger Buchprojekte, mit denen Theweleit viele Jahrzehnte auf Spurensuche ging, um westliche Kultur als eine der Ausbeutung und Kolonisierung zu erklären. Ungewöhnlich im Umfang, üppig bebildert und unüberhörbar eine Hommage an amerikanische Popkultur.
Seine oft mehrteiligen Bücher passten buchstäblich in keine Schublade, bilanziert Theweleit: «Bis heute wissen Buchhändler nicht, wo sie die Männerphantasien hinstellen sollen. Zur Faschismus-Theorie, zur Genderforschung, zur Psychoanalyse oder sonstwo.»
Körperwelten statt Faschismustheorie
Das Buch unternimmt den Versuch zu ergründen, warum Männer sich zusammenschliessen, um barbarische Gewaltakte zu begehen. Auf nahezu 1300 Seiten untersucht Theweleit die Biografien von Freikorps-Männern, die in den Bürgerkriegswirren der frühen Weimarer Republik bestialische Massaker verübten.
Mit «Männerphantasien» sprengte Theweleit den Rahmen wissenschaftlich-akademischer Fachbücher und tauchte förmlich ein in die verstörende Gefühlswelt soldatischer Männerkörper.
Bilderbogen des Schreckens
Wie in einer aus den Fugen geratenen Text-Bilder-Collage spürt Theweleit den Soldaten-Männern nach. Er zeigt ihre pervertierte Sexualität, das Zerrissene ihrer fragmentierten Persönlichkeiten, die sich im Tötungsrausch eine «gereinigte» Welt konstruieren: Frei von jeder Weiblichkeit, die angeblich verweichlichen soll, blutend rot fliesst und keinen Halt gibt.
Ein besonderer Dreh ist Theweleits filmischer Stil: Neben Textfragmenten, autobiografischen Einwürfen und Romanzitaten, huschen unzählige Filmbilder, Comics und Jungendstilfiguren durch den Textdschungel.
Die Bilder, das war auch ein Kritikpunkt an seinem Buch, werden zu einem bestimmenden Element. «Männerphantasien» ist im Grunde ein Film in Texten und Bildern, der den alltäglichen Faschismus, die Verrohung des modernen Menschen in Szene setzt.
John Wayne fehlte
Viele Monate nach Ende der Manuskriptarbeit durchsuchte Theweleit Archive und Bibliotheken nach passendem Bildmaterial. Die Arbeit war nach Theweleits Auskunft fast aufreibender als die Arbeit am Text. Unzählige Copyrights mussten geklärt werden.
In der amerikanischen Ausgabe musste allerdings ein Bild rausfliegen: «Es ist aus dem ersten Teil, wo ich beschreibe, wie die Soldaten ihre Pferde lieben. Und da hatte ich ein Bild von John Wayne als Tom Mix neben einer weissen Stute. Das haben sie herausgenommen.»