- Um die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, hat Deutschland seit 2013 mit 16 Staaten militärische Kooperationsabkommen geschlossen.
- Am intensivsten ist die Kooperation mit der niederländischen Armee. Es kommt vor, dass Deutsche und Holländer gemeinsam in einem Panzer Dienst tun.
- Der Wehrbeauftragte der Bundeswehr spricht von einem zukünftigen europäischen Teil der Nato.
Nach dem Fall der Mauer 1989 wurde die grosse Friedensdividende ausbezahlt. Die deutsche Bundeswehr rüstete ab. Sie beschränkte sich auf Auslandseinsätze in Krisengebieten.
Die Wende kam 2014: Russland annektierte die Krim. Die Nato-Staaten entschieden im Gegenzug, als Zielvorgabe ihre Ausgaben für Verteidigung bis 2024 auf zwei Prozent zu erhöhen.
Ein verbindliches Ziel ist das nicht. Verbindlich aber ist der Auftrag der Bundeswehr, nicht mehr nur für sogenannte «Out of area»-Einsätze vorbereitet zu sein. Neu soll sie auch wieder für einen konventionellen Krieg gerüstet sein.
Ungenügend ausgerüstet
Auf dem Truppenübungsplatz Klietz zwei Autostunden westlich von Berlin dröhnen die Motoren der Leopard-II-Panzer. Deutsche und holländische Soldaten bereiten sich auf eine gemeinsame Übung vor.
«In den Hochzeiten des Kalten Krieges hatte die Bundeswehr sage und schreibe 2500 Kampfpanzer. Jetzt sind es 250», sagt Presseoffizier Stephan Wessel.
Die Bundeswehr ist für ihren Auftrag, auch einen konventionellen Kampf führen zu können, ungenügend ausgerüstet.
Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragte der Bundeswehr, bestätigt das: «Für einen Verband mit 1000 Soldaten, der als sogenannte Speerspitze der Nato besonders rasch einsatzbereit sein soll, mussten 15‘000 einzelne Ausrüstungsgegenstände aus der gesamten Bundeswehr zusammengeklaubt werden.»
Anderes Beispiel: Ein Panzerartillerie-Bataillon mit regulär 24 Geschützen habe bei Bartels' Besuch nur sieben zur Verfügung gehabt. Alle sieben seien für einen allfälligen Nato-Einsatz gesperrt gewesen.
Militärische Kooperationsabkommen
Deutschland hat seine Verteidigungsausgaben im laufenden Jahr um rund zwei Milliarden auf 38,5 Milliarden Euro erhöht. Bis 2021 sollen es 43 Milliarden Euro werden. Doch von heute auf morgen ist die Bundeswehr auf ihre neuen Aufgaben nicht vorbereitet.
Um die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, hat Deutschland seit 2013 mit 16 Staaten militärische Kooperationsabkommen geschlossen, zuletzt mit Rumänien und Tschechien.
Holländer in deutschen Panzern
Am intensivsten ist die Kooperation mit der niederländischen Armee. Denn die Niederländer haben zwar Panzersoldaten, aber keine Panzer mehr. Holländer und Deutsche schufen sogar ein gemischtes Panzerbataillon.
Deutsche und Holländer tun also gemeinsam in einem Panzer Dienst. Das ist weltweit wahrscheinlich einmalig. Multinationale Einsätze sind in der Nato zwar üblich, aber eine Vermischung bis auf Stufe Soldat gibt es wahrscheinlich nirgends.
Die gemeinsame Sprache auf den Panzern ist deutsch, in den Stäben – wie in der Nato üblich – wird Englisch gesprochen. Die Zusammenarbeit funktioniere gut, bestätigen Holländer und Deutsche übereinstimmend.
Eine europäische Armee?
Beide Seiten sprechen von einer Win-Win-Situation: Die Niederländer hätten wieder Panzer, die Deutschen ein zusätzliches Panzerbataillon.
Der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Hans-Peter Bartels, ist begeistert: «Das funktioniert super. Das holländische und das deutsche Heer fusionieren quasi jeden einzelnen Tag.»
Es bleibt ein Sonderfall
Bartels glaubt, dass es in 10 bis 25 Jahren eine eurpäoische Armee der Nato geben werde. Die Praktiker vor Ort sind vorsichtiger. Eine gemeinsame europäische Armee sehen sie nicht am Horizont auftauchen.
Die deutsch-niederländische Kooperation sei ein Sonderfall. Sie funktioniere besonders gut, weil die Holländer gut Deutsch sprächen und es zwischen Norddeutschen und Niederländern auch kulturell viele Gemeinsamkeiten gebe.
Aber auch sie sind von einer immer engeren militärischen Kooperation in Europa überzeugt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 15.9.2017, 9.02 Uhr