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Koranverbrennungen in Schweden Ilma Rakusa: «Bücherverbrennungen sind ein vandalistischer Akt»

Die schwedische Regierung erlaubt die Verbrennung heiliger Bücher und beruft sich dabei auf die Meinungsfreiheit. Die Schweizer Autorin Ilma Rakusa entgegnet: Proteste müssten erlaubt sein. Doch bei Bücherverbrennungen werde etwas ausgereizt, das nicht zu demokratischen Gesellschaften passe.

Ilma Rakusa

Autorin

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Die Schweizer Autorin Ilma Rakusa hat mit ihren Gedichten, poetischen Prosatexten und Erzählungen schon mehrere Preise gewonnen, darunter den Schillerpreis, den Schweizer Buchpreis, und den renommierten Kleist-Preis.

Mit ihren zahlreichen Übersetzungen aus dem Russischen, Französischen, Serbokroatischen und Ungarischen trägt sie zur Vermittlung osteuropäischer Literaturen bei. Ilma Rakusa wohnt in Zürich.

Bild: Keystone / Ennio Leanza

SRF: Was geht in Ihnen vor, wenn im öffentlichen Raum und unter Billigung der Regierung Bücher verbrannt werden?

Ilma Rakusa: Ich halte Bücherverbrennungen grundsätzlich für etwas Extremes, Verwerfliches und für einen Akt des Vandalismus. Ich bin absolut dagegen – obwohl es in der Geschichte viele Bücherverbrennungen gegeben hat, etwa vonseiten der Kirche oder auch der staatlichen Institutionen.

Man müsste aufklären, aber auch in die Schranken weisen.

Oder auch 1933 durch die Nationalsozialisten. Wohin das geführt hat, wissen wir. Man müsste Menschen, die sich dazu verleiten lassen, solche Akte zu verüben, in erster Linie aufklären, aber auch in die Schranken weisen.

Befürworter berufen sich auf die Meinungsfreiheit. Diese sei ein zentraler Pfeiler der Demokratie. Wenn man die Verbrennung nicht zulasse, wäre das Zensur. Was sagen Sie dazu?

Zensur wird auch von unseren demokratischen Ländern bereits in einer milden Form ausgeübt, etwa durch die Woke-Bewegung. Das ist alles im Rahmen des Legitimen, Möglichen und Diskutierbaren. Ich finde: Die Meinungsfreiheit muss man nicht so ausreizen, dass einfach alles möglich ist.

Vandalismus hat in einer Gesellschaft nichts zu suchen. Eine öffentliche Bücherverbrennung ist so etwas wie ein Ritual, das Leute zu anderen vandalistischen Akten anstiftet. Da muss man durchgreifen.

Hier geht es um mehr als um Meinungsfreiheit. Solche Aktionen reizen etwas aus, das letzten Endes nicht zu unseren demokratischen Gesellschaften passt.

Sie haben 1933 angesprochen, als die Nationalsozialisten Werke jüdischer Autorinnen und Autoren verbrannten. Hinter den Protesten in Schweden stecken zum Teil auch Neonazis. Wie soll man als Staat mit solchen Meinungen und Protesten umgehen?

Es ist die Quadratur des Kreises: Proteste grundsätzlich verbieten geht natürlich nicht. Aber man muss da einschreiten, wo gewisse Grenzen überschritten werden. Es ist die Aufgabe einer Regierung und ihrer Institutionen, gerade junge Menschen aufzuklären, die anfällig sind zu solchen Taten.

Die Leute einfach machen zu lassen, ist kein Weg.

Es beginnt alles mit der Bildung. Man sollte die drei monotheistischen Religionen und deren symbolträchtige Bücher diskutieren und zeigen, dass es zwischen diesen heiligen Schriften durchaus viel Verbindendes gibt.

Die Leute einfach machen zu lassen, ist kein Weg. Das schafft bei anderen Teilen der Gesellschaft zurecht Empörung. Dies ist nicht der Weg, der in die Zukunft führen kann.

Abgesehen von heiligen Büchern – wie stellen Sie sich grundsätzlich zur Verbrennung von Büchern im öffentlichen Raum?

Das ist keine Art des Umgangs mit Büchern. Es zeigt allerdings die Angst vieler Menschen vor der Macht des Wortes.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

SRF 4 News, Rendez-vous, 20.07.2023, 12:30 Uhr. ; 

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