Eine schmutzige Strasse. Ein Junge kniet am Boden und hält die Hände hinter dem Rücken zusammen. Ein zweiter zielt mit einem selbstgebastelten Gewehr auf seinen Kopf. Bloss ein Stück Holz, eine Schnur – doch die Geste wirkt echt. Kinder in Aleppo, vertieft in ihr Spiel.
«Diese Kinder sehen jeden Tag Soldaten mit Waffen, sie sehen die IS-Kämpfer im Fernsehen und sind davon beeindruckt», erzählt Hosam Katan.
Er hat das Bild der spielenden Buben aufgenommen und in seinem ersten Bildband «Yalla Habibi – Living with War in Aleppo» veröffentlicht. «Für viele Kinder heisst ein Mann zu sein, ein Soldat zu sein. Wir können sie für diese Weltanschauung nicht verurteilen – sie wissen es nicht besser.»
Revolution statt Uni
Der heute 24-jährige Hosam Katan ist in der syrischen Stadt Aleppo geboren. Eine Stadt, die damals noch nach Kardamom und Jasmin duftete. Dann wehte 2011 der Wind des Arabischen Frühlings nach Syrien. Statt die Uni zu besuchen, ging Hosam Katan mit seinen Brüdern auf die Strasse und demonstrierte gegen die Diktatur von Baschar al-Assad. Es folgte Krieg.
«Wir jungen Leute waren unglaublich motiviert», erinnert sich Hosam Katan. Er schnappte sich sein Handy und dokumentierte damit alles, was in seiner Heimatstadt passierte. Seine erste Kamera kaufte er einem Freund ab – kurz darauf wurde dieser getötet. Hosam Katan übernahm dessen Kontakt zur Nachrichtenagentur Reuters. Von da an gingen seine Bilder um die Welt.
Alltag unter Bombenbeschuss
Da ist die Fotografie von Schulkindern, die lachend bunte Luftballons in den Himmel steigen lassen, rund um sie herum Ruinen, zerbombte Häuser. Auf einem anderen Bild füttert ein Krankenwagenfahrer hingebungsvoll ein Rudel streunender Katzen.
Hosam Katan zeigt aber auch die Verzweiflung, das Leid der Menschen, Armut und Tod. «Menschen sterben und ich bin als Fotograf verantwortlich dafür, was ich zeige. Ich kann nicht nur den Alltag zeigen, das Schöne», ist der Syrer überzeugt. Denn: «Krieg bedeutet Tod.»
Auf manchen Bildern zeigt sich dieser Tod schonungslos und direkt. Auf anderen scheint es, als würde der Tote bald die Augen öffnen. Zum Glück sind da die vielen hoffnungsvollen Bilder. Sie erzählen von den Menschen, die versuchen einen Alltag zu leben, wo kein Tag alltäglich ist.
Dafür bewundert sie Hosam Katan: «Es ist beeindruckend und würdevoll, wie die Menschen dem Krieg begegnen! Nach einem Bombenangriff räumen sie auf und leben weiter ihr Leben.»
Die Macht der Medien
Nachdem Hosam Katan 2015 von einem Heckenschützen getroffen wurde, floh er nach Deutschland. Heute studiert er in Hannover Dokumentarfotografie. Die Erinnerungen an seine Anfänge als Kriegsfotograf wühlen ihn auf. Natürlich hat er geweint. Aber er hat weiter gemacht, denn: «Weinen hilft niemandem.»
Der Fotograf glaubt an die Macht der Medien und dass das Elend der Menschen im Kriegsgebiet dokumentiert und gezeigt werden muss. In der Hoffnung auf Veränderung.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 13.08.2018, 7:20 Uhr.