- Das Buch « Der Jargon der Betroffenheit – Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt» von Erik Flügge kritisiert den biederen Jargon der Kirchen.
- Flügge fordert von den Glaubensinstitutionen eine Sprache, die verstanden wird .
- Auch Kommunikationsprofis erkennen eine abgehobene, fremde und unverständliche Sprache in den Gottesdiensten oder Webauftritten der Kirchen.
- Dass sich viele von Glaubensinstitutionen abwenden , liegt nicht nur an der Rhetorik, sondern auch an den Gräuel, die im Namen Gottes verübt wurden.
«Sätze, in denen Belanglosigkeiten aneinandergereiht werden. Sätze, in denen viel zu oft die Verben fehlen.» Die Kritik von Erik Flügge an der Sprache von Pfarrerinnen und Pfarrern ist provokativ.
Das Geschwurbel von der Kanzel herab sei ein Grund, warum immer weniger Menschen Gottesdienste besuchen. Der 30-jährige PR-Berater fordert von Geistlichen: «Lassen Sie das nächste Mal einfach die belanglose Geschichte weg, wenn Sie predigen. Sagen Sie einfach, was Sie sagen wollen, so wie Sie es einem Freund sagen würden.»
Sprache der Pfarrer: abgehoben, fremd, unverständlich
Jost Wirz unterstützt die Aufforderung Flügges: «Kommunikation kommt nur zustande, wenn Absender und Empfänger die gleiche Sprache sprechen». Wirz ist Ehrenpräsident der Wirz Kommunikationsgruppe. Sie hat an der Kampagne «500 Jahre Reformation» des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes mitgearbeitet.
Wirz findet die Sprache von Pfarrerinnen und Pfarrern in den Gottesdiensten oft abgehoben, fremd und unverständlich. «Es braucht eine moderne Sprache, die verstanden wird.»
Sogar Luther und Zwingli waren cool
«Viele Geistliche fürchten inhaltliche Abstriche, würden sie in einer zeitgemässen Sprache predigen», beobachtet Wirz. «Ich sehe aber darin keinen Widerspruch.»
Gemäss Wirz könnten vor allem reformierte Pfarrerinnen und Pfarrer sprachlich mehr wagen – Luther und Zwingli seien gute Beispiele dafür gewesen, wie sie die Sprache der Strasse übernommen hätten.
Wenn Sieber predigt, hören sie zu
«Einer, der weiss, wie man authentisch und zeitgemäss kommuniziert, ist Pfarrer Ernst Sieber», sagt Thomas Wildberger, Werber des Jahres 2016 und CEO der Kreativagentur Publicis. Mit seiner lockeren Art habe Sieber viele Zuhörerinnen angesprochen.
«Wenn er predigt, dann hören auch Menschen zu, die nicht religiös sind.» Sieber wisse, wie man Nächstenliebe vermittelt, ohne ständig auf Bibel oder Gebote zu verweisen.
Was die Kirche will? Das wissen wir schon
Kirchen sollen modern auftreten und sich neutral an den Geschehnissen beteiligen, rät Wildberger. «Darüber zu schreiben, was Kirche ist und was sie will, ist überflüssig, da wir es im Grunde wissen.»
Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund kommuniziere in diesem Sinne gut: «Die Website kommt modern und ohne übermässige religiöse Zwischentöne daher.» Weniger attraktiv hingegen findet Wildberger Auftritte der katholischen Kirche – diese wirken veraltet.
Aktualität mit Bibeltexten erklären
Frank Bodin, CEO der Kreativagentur Havas, fallen in der öffentlichen Kommunikation der Schweizer Landeskirchen zwei Tendenzen auf: «Bei den Reformierten sehe ich eine Neigung zur modernistischen Anbiederung mit einem überspannten Spannungsbogen, der Aktualität mit Bibeltexten erklären will.»
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Bei der katholischen Kirche würde Kirchenpolitik von vorgestern das Bild dominieren. «Das Marketing der Freikirchen, die analog den amerikanischen Vorbildern um ihre Schäfchen buhlen, kommt kulturell in unseren eher verschlossenen Breitengraden nur beschränkt an», sagt Bodin.
Instant-Spiritualität durch Yoga
«Weil am Anfang statt des Wortes auch der Urknall gewesen sein kann, hat die Kirche nicht ein sprachliches, sondern eher ein fundamentales, inhaltliches Problem», findet Bodin.
Nicht wegen der Sprache, sondern angesichts der Gräuel, die im Namen Gottes verübt werden, würden sich viele Menschen von Glaubensinstitutionen abwenden und Instant-Spiritualität in Yogaübungen und anderen Betätigungen suchen.