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La Chaux-de-Fonds: Boomtown mit Ein- und Auswanderern
Aus Kontext vom 02.08.2018. Bild: Keystone
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La Chaux-de-Fonds So tickt der hochjurassische Schmelztiegel

La Chaux-de-Fonds ohne Uhrenindustrie ist nicht vorstellbar. Doch die Stadt bietet mehr als alte Manufakturen: Kultur, Geschichte und multikulturelles Grossstadt-Flair. Ein Spaziergang durch einen erstaunlich globalen Ort.

La Chaux-de-Fonds oder kurz «Latcho» – die vier Silben des Stadtnamens sind auch den Einheimischen manchmal zu viel – ist eine Planstadt: breite, parallele und rechtwinklige Strassen prägen das Stadtbild. Ein wenig wie Manhattan. Das geht auf den Plan von Ingenieur Charles Junod zurück.

Viel Licht für die Feinarbeit

Nach einem verheerenden Brand im Jahr 1794 hat man die Stadt neu konzipiert und nach den Bedürfnissen der Uhrenmanufakturen ausgerichtet: breite Strassen, um möglichst viel Licht in die Ateliers zu bringen. Einfache Verbindungen, um den schnellen Transport der Uhreneinzelteile von einer Manufaktur zur nächsten zu erleichtern.

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La Chaux-de-Fonds: Boomtown mit Ein- und Auswanderern
aus Kontext vom 02.08.2018. Bild: Keystone
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Mit der Quarzkrise der 1970er- und 1980er-Jahre mussten viele traditionelle Uhrenfabriken schliessen. Auch für die Schweizer Uhrenindustrie in «Latcho» wurde es eng.

Klumpenrisiko Uhrenbranche

Heute läuft das Geschäft mit dem Luxusprodukt. Doch das schaffe Abhängigkeiten, sagt Katia Babey, amtierende Stadtpräsidentin von La Chaux-de-Fonds. Wenn die Luxusuhrenmärkte in den USA oder in China ein wenig husten, hat «Latcho» gleich die Grippe.

Uhrmacher in La Chaux-de-Fonds
Legende: Die Uhrenindustrie ist nach wie vor das Zugpferd der Wirtschaft in La Chaux-de-Fonds. Keystone

Aber dank der Uhrmachertradition und der Micro-Mechanik hätten sich auch neue Industriemöglichkeiten eröffnet, etwa im medizintechnischen Bereich, erklärt Babey.

Der Nase nach

Wenn man die Rue de l'Avenir hochkommt und an der grössten Synagoge der Schweiz vorbeigeht, gelangt man zum Parc de l'Ouest. Mitten im Park steht eine riesige, chrom-glänzende Skulptur. Fünf Meter hoch, angeblich acht Tonnen schwer.

Skulptur zu ehren von Louis Chevrolet in La Chaux-de-Fonds.
Legende: Ein verchromter Champagnerkorken? Nein, die Skulptur zeigt Louis Chevrolet, Gründer der gleichnamigen Automobilmarke. Keystone

«Klar sieht die Skulptur etwas ungewöhnlich aus», sagt Remy Gogniat, der viele Jahre Mediensprecher von La Chaux-de-Fonds war. Der Sinn erschliesse sich, sobald man wisse, dass das Monument den Kopf von Louis Chevrolet darstelle. Einfach geht die Nase nach innen statt nach aussen.

Die drei C der Stadt

Louis Chevrolet wurde in 1878 in La Chaux-de-Fonds geboren, aufgewachsen ist er aber im Burgund. Dort entdeckte er seine Leidenschaft: das Auto. 1900 wanderte er in die USA aus und gründete da die legendäre Automarke.

Wie Chevrolet kamen auch der Dichter Blaise Cendrars und Stararchitekt Le Corbusier in La Chaux-de-Fonds zur Welt und sind später ausgewandert. Le Corbusier hat allerdings lange in der Stadt gelebt und gearbeitet.

Strassenszene in La Chaux-de-Fonds.
Legende: Die spezielle Städtearchitektur von La-Chaux-de-Fonds hat Le Corbusier in seinem Schaffen inspiriert. Imago/ imagebroker

Bei seiner Achtsamkeit auf den Lichteinfall sei Le Corbusier sehr von seiner orthogonalen, grosszügig geplanten Heimatstadt geprägt worden, sagt Remy Gogniat. Er ist überzeugt, dass die Uhrmacherei die Wurzel des innovativen Geistes der Stadt sei. «Die Uhrmacher brauchten die Künstler, die Graveure, die Ideen aus aller Welt.»

Erfolg dank Zuwanderung

Geschäftssinn und Pragmatismus hat zur Offenheit der Stadt beigetragen. Den Juden gegenüber seien die Stadtbewohner im 19. Jahrhundert zuerst misstrauisch gewesen. Vorerst durften sie nur an der Rue des Juives wohnen, so Gogniat.

Aber schliesslich verdanke die Stadt den Juden und allen Zugewanderten viel. Denn die Juden und Deutschschweizer, später die Südeuropäer und heute die Türken, Afrikaner und Araber haben alle etwas in die Stadt mitgebracht, sagt Remy Gogniat.

Museum in Manufaktur

In einem ehemaligen Uhrenmanufakturgebäude an der Avenue Léopold-Robert ist seit drei Jahren das «Musée des Civilisations de l'Islam» zuhause. Kurator Khaldoun Dia-Eddine hat das Museum im Auftrag des Trägervereins konzipiert.

Frontansicht des Musée des civilisations de l'Islam in La Chaux-de-Fonds.
Legende: Das «Musée des civilisations de l'Islam» nimmt die Besucher auf eine Reise durch die Geschichte islamischer Kulturen mit. Keystone

Musée des civilisations de L'Islam

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Das Museum der Islamischen Zivilisationen wurde im Jahr 2016 eröffnet.

Die permanente Ausstellung, welche Dia-Eddine entworfen hat, besteht nicht aus klassischen Exponaten, wie etwa historischen Gegenständen. Man macht eine Art Geschichtstour in sechs verschiedene Räumen, durch verschiedene Stadien und Kulturen der islamischen Zivilisationen. Am Ende der Ausstellung ist man in der Gegenwart angekommen.

Die Stadt als Summe der Menschen

Kurator Khaldoun Dia-Eddine sieht La Chaux-de-Fonds ähnlich wie Remy Gogniat und Katia Babey, denn für ihn ist die Stadt «die Summe all dessen, was die Menschen aus ihr gemacht haben. Jene, die hier geboren wurden, zusammen, mit jenen, die gekommen sind und etwas mitgebracht haben.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 03.08.2018, 09:00 Uhr.

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