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Ivana Falconi in einem grünen Kleid zwischen vielen, unterschiedlich grossen Fliegenpilzen aus Stoff und andferen Materialien.
Legende: Kitsch-Kunst aus dem Tessin: Ivana Falconi mit einigen ihrer über 200 Fliegenpilze. SRF

Landesteile Vorurteile Doppelbödige Kitsch-Kunst aus dem Tessin

Gartenzwerge, Fliegenpilze, Plastikblumen: Die Tessiner Künstlerin Ivana Falconi hat einen ausgeprägten Sinn für Kitsch. Dieser gründet in ihren italienischen Wurzeln.

Ivana Falconi ist nicht beleidigt, wenn man sie als «Kitsch-Künstlerin» bezeichnet, im Gegenteil. Die 43-jährige Tessinerin lebt in einer fantastischen Welt, farbig und vergnüglich. Sie bevölkert ihr Haus in Gudo hoch über der Magadino-Ebene mit Hunderten von seltsamen Figuren. Und sie liebt es, all die dekorativ-nutzlosen Dinge des Alltagslebens künstlerisch zu verfremden und mit den Emotionen, die daran geknüpft sind, zu spielen.

Doppelbödigkeit prägt Falconis Stil

Die vordergründige Fröhlichkeit ihrer riesigen Sammlung an putzigen Figürchen ist ironisch gebrochen, raffiniert kombiniert die Künstlerin gesammelte Objekte miteinander oder schafft aus ihnen Neues – oft verblüffend absurdes. Und es muss von allem viel sein, 200 Fliegenpilze hat sie selber gefertigt: «An Fliegenpilzen mag ich ihre Doppeldeutigkeit. Sie sind einerseits schön und harmlos, sie kommen auch oft in Märchen vor. Sie sind unschuldig, aber in ihnen verbirgt sich auch etwas Tödliches.» Diese Doppelbödigkeit prägt die gesamte Kunst der vergifteten Sammlerin.

Kitsch wurde ihr in die Wiege gelegt

Ihre Sammelleidenschaft begann schon als Kind, als sie alles nach Hause trug, was sie finden konnte. Und wenn es ein Haufen Steine war. Ihre Mutter ist Sizilianerin, ihr Vater Tessiner: «Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem die Kitschobjekte sehr präsent waren» so Yvana Falconi, «aber auf eine unbewusste Art. Meine Eltern wissen vermutlich bis heute nicht, was Kitsch wirklich bedeutet.»

Ihre doppelbödige Kitsch-Kunst hat Erfolg: an der Weltausstellung 2005 in Japan inszenierte sie riesige Gartenzwerge als Schutzengel und machte damit Furore beim japanischen Publikum.

Brockenhäuser und Friedhöfe als Jagdgebiete

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Brockenhäuser sind für die Künstlerin wahre Jagdgründe: Hier ist sie beinahe täglich anzutreffen, hier kleidet sie sich ein, hier kauft sie ihre Möbel, hier findet sie die Zutaten für ihre Kunst. Und hier packt sie der Entdeckergeist und das Habenwollen. Die Auswahl der Dinge ist zu 80 Prozent unbewusst: «Zuerst kommt der Bauch», sagt Falconi, «erst später überlegt der Kopf, was künstlerisch daraus werden könnte.» Natürlich müssen die Gegenstände für die Künstlerin einen Kitschwert haben, aber sie seien auch deshalb faszinierend, weil sie bereits gelebt hätten. «Weil ich darin eine Geschichte erkenne, auch wenn es nicht ihre wahre Geschichte ist. Sie sind eine tolle Inspirationsquelle».

Den Blumen die Trauer nehmen

Spezielle Sujets findet Yvana Falconi auch an besinnlichen Orten. Auf Tessiner Friedhöfen fotografiert sie farbenfrohe Plastikblumen, welche die Menschen ihren Verstorbenen aufs Grab gestellt haben: «Das ist eine Arbeit über die Erinnerung. Mich interessiert diese Liebesgeste der Hinterbliebenen sehr».

Wiederum spielt der Kitsch eine Rolle, «denn was könnte es Kitschigeres geben als Plastikblumen. So etwas Natürliches wie Blumen, dargestellt durch so etwas Falsches wie Plastik. Das ist ein faszinierender Gegensatz.» Daheim nimmt sie ihre Blumenfotos als Vorlage und malt sie mit kräftigen Farben ab: «Mein Bild soll dann wieder etwas Fröhliches und Vergnügliches ausstrahlen, nichts soll an das Düstere und Traurige des Todes erinnern».

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