«Con un gipfel, signora?» – «Solo un caffè, grazie.» Ich sitze einmal mehr im Zug gen Süden. Das Tessin ist meine zweite Heimat, an welcher unzählige Kindheitserinnerungen haften. Sie riechen nach Jasmin, Feigen und Nonnos Americano. Zwischen den Zehen funkelt der Glitzerstaub des Gneises. Die Tage sind lang, nachts will ich nicht schlafen, weil die Sterne über dem Lago heller leuchten und die Donner lauter krachen als daheim in der Linthebene.
Ferien bei meinen Grosseltern – la dolce vita mit allen Sinnen.
Achtung, die Zucchin kommen!
Inzwischen bin ich erwachsen geworden. Auf der Autobahn zum Supermarkt schiessen die Ticinesi jeweils links und rechts an mir vorbei. Beim Kreisel blinken sie manchmal. Wenn sie ihn ansteuern nämlich, aber ganz bestimmt nicht, wenn sie ihn wieder verlassen. An der Theke verlange ich nach einem «eto di Parmigiano». «Darfe suschte nogg etwas sii?» Man spricht deutsch wegen der Senioren aus Germanien und der Zürcher oder Basler Familien vom Campingplatz, die sich hier mit Grillschnecken und Aromat eindecken.
Ich ahne, weshalb es die Tessiner auf der Strasse so eilig haben. Im Sommer hauen sie lieber ab auf die Alp. Auf ihren Monti legen sie wohl die Beine hoch, während die Zucchin aus dem Norden mit ihren khakifarbenen Dreiviertelhosen den Kanton überfluten.
L’amour toujours oder far l’amur en soccas
Und die Romands? «Die lieben leidenschaftlicher und haben überhaupt bei allem, was sie tun, mehr Eleganz als die Rüpel aus der Deutschschweiz. Übrigens – die Rätoromanen tragen bei ersterem vornehmlich Socken» behauptete ein Kollege. «Kein Wunder, dass die da oben so schwermütig sind!», warf ein anderer ein. L’amour toujours oder far l’amur en soccas. Ob wir vom «Kulturplatz» während unserer Sommerserie unter irgendwelche Bettdecken spähen? Wir Deutschschweizer sind für sowas doch viel zu bünzlig!
Die liebevolle Pflege kultureller Unterschiede. Ist womöglich gerade sie es, die die heterogene Schweiz im Innern zusammenhält? «Landesteile – Vorurteile»: Jau sun plain mirveglias!