1973 fuhr eine Schwesterndelegation in die Modehauptstadt Paris: zu einem Treffen mit dem angesagten Modedesigner André Courrèges. Der erregte damals mit futuristischen Kleiderentwürfen und Miniröcken Aufsehen. Weiter könnten zwei Modewelten kaum auseinanderliegen.
Die Baldegger Schwestern hatten damals noch eine sehr beengende Ordenstracht. Die Kunsthistorikerin Elsbeth Jordi erinnert sich: «Sie haben immer gestöhnt, weil ihnen die Haube aus gestärktem weissem Stoff richtig in die Stirn einschnitt.» Elsbeth Jordi hat die Schwestern an André Courrèges vermittelt und sie auf der Reise begleitet.
In der Boutique von Courrèges eingetroffen, bekam Elsbeth Jordi einen Schreck: «Er trug einen Anzug aus rosa Kunststoff mit kurzen Hosen und weisse Vinylstiefel.» Sehr extravagant. Sie fragte sich, ob diese Zusammenarbeit gut gehen kann.
Modeschau im Kloster
Das darauffolgende Gespräch war jedoch von echtem gegenseitigem Interesse geprägt. Es entstanden Entwürfe, die später im Kloster an einer Modeschau präsentiert wurden – mit den Schwestern als Models.
Von der Skizze auf den Laufsteg
Die Entwürfe waren den Schwestern dann doch zu gewagt. Die Begegnung mit Courrèges half ihnen aber, ihre Ordenstracht danach selbst zu gestalten: schlicht und viel luftiger.
Stararchitekt aus New York
Das neue Kleid war 1976 das letzte Puzzleteil in ihrem auf allen Ebenen modernisierten Klosterleben. Angestossen durch das Zweite Vatikanische Konzil von 1962 bis 1965, eine Zäsur in der römisch-katholischen Kirche.
Vier Jahre zuvor hatten die Schwestern einen modernen Klosterneubau bezogen, entworfen vom Bauhausarchitekt Marcel Breuer. Das alte Kloster Baldegg im Luzerner Seetal platzte Ende der 1960er-Jahre aus allen Nähten.
Wie sie künftig leben wollten, davon hatten die Schwestern genaue Vorstellungen. Den Siegerentwurf aus einem Architekturwettbewerb lehnten sie eigenmächtig ab und engagierten den Bauhausarchitekten Marcel Breuer aus New York.
Viel Beton, keine Häkeldeckchen
Dieser baute eine weitläufige Anlage: mit viel Sichtbeton, groben Natursteinmauern, einem eleganten schwarzen Schieferboden und vielen Glasfenstern mit Blick in die umliegende Landschaft. Die Ruhe und Harmonie darin entsprach dem Klosterleben.
«Das Material muss wirken, hatte er gesagt», erinnert sich Schwester Martine Rosenberg, ehemalige Generaloberin des Klosters. «Wir mussten uns immer wieder gegen Schnickschnack wehren, gegen Häkeldeckchen und Tüllvorhänge.»
Noch heute wirkt das Kloster, als sei seit 1972 nichts verändert worden: ein Gesamtkunstwerk. Überall begegnet man den Freischwingerstühlen aus Stahlrohr von Marcel Breuer. Auch in der schlichten Kapelle stammt die Ausstattung von dem Bauhausarchitekten.
Zukunft der Baldegger Schwestern?
Heute gibt es nur noch 175 Baldegger Schwestern. Das Durchschnittsalter liegt bei 80 Jahren. Darum soll bis 2030 ein Strategie- und Transformationsprozess klären, wie die denkmalgeschützte Ikone in Zukunft weitergenutzt werden kann.
Eines ist klar: Diesen Wandel gehen die Schwestern genauso aktiv und selbstbestimmt an, wie den Wandel damals in den 1970er-Jahren.